Das Schweizer System zur Kompensation von CO2-Emissionen ist anfällig für Betrug. Zu diesem Schluss kommt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK). Sie empfiehlt eine Reihe von Verbesserungen. Der Bund warnt vor mehr Bürokratie.
Das Risiko von betrügerischen Handlungen sei erheblich, schreibt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Es gehe um viel Geld. Die Rede ist von der CO2-Kompensation: Importeure von Treibstoffen müssen gemäss dem CO2-Gesetz von 2013 Teile der verursachten CO2-Emissionen kompensieren. Das geschieht durch Investitionen in Projekte.
Die Branche geht davon aus, dass sie bis 2020 rund 1 Milliarde Franken investieren muss. Die Projekte werden von privaten Prüfstellen validiert und anschliessend beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) zur Genehmigung eingereicht.
Für erbrachte Reduktionsleistungen stellt das Bafu pro Tonne CO2-Reduktion eine Bescheinigung aus. Die Kompensationspflichtigen erwerben die Bescheinigungen und reichen sie als Nachweis über die erbrachte Kompensationsleistung ein.
Prüfstellen nicht unabhängig
Die Finanzkontrolle findet, das Instrument sei zu komplex. Sie hat zudem Lücken bei der Genehmigung und Kontrolle ausgemacht. Die Unabhängigkeit und Qualität der Prüfstellen müssten stark verbessert werden, fordert sie. Auch müssten Sanktionen vorgesehen werden – sowohl bei mangelnder Qualität der Prüfstellen als auch bei falschen Angaben der Projekteigner.
Der EFK lag eine Meldung bezüglich versuchter Korruption vor: Antragsteller sollen versucht haben, die Prüfung zu beeinflussen. Die Vorwürfe hätten sich nicht erhärten lassen, schreibt die EFK. Ein Risiko könne aber nicht verneint werden. Die Vollzugsorganisation sei einem hohen Druck von Politik und Wirtschaft ausgesetzt.
Projekte doppelt finanziert
Hinzu kommt, dass das Bafu wenig Anreize hat, Projekte nicht zu genehmigen und dadurch das Ziel einer Reduktion von 20 Prozent der CO2-Emissionen bis 2020 im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu verfehlen.
Ein weiteres Problem stellen Projekte dar, die aus dem früheren System des Klimarappens übernommen wurden. Es gebe Hinweise, dass Projekte weiterhin Mittel erhielten, die bereits im alten Regime «ausfinanziert» gewesen seien, schreibt die EFK. Die Verbraucher von Treibstoffen zahlten so bis 2020 rund 200 Millionen Franken für die gleichen Projekte, die sie schon während des Klimarappens vollständig finanziert hätten.
Beispiel Zementindustrie
Die EFK hat auch bei Stichproben zu einzelnen Dossiers Zweifelhaftes zu Tage gefördert. So wurden dem Verband der Schweizerischen Zementindustrie cemsuisse Bescheinigungen im Wert von rund 50 Millionen Franken ausgestellt, ohne dass die geltend gemachten Reduktionen geprüft wurden.
Die EFK schreibt, sie könne das nicht nachvollziehen. Als weiteres Beispiel nennt sie die Holzbranche. Diese fordere Bescheinigungen mit einem potenziellen Gegenwert von 160 Millionen Franken. Die relevanten Modelle seien durch die eigenen Vertreter erstellt worden.
Mehr Bürokratie
Das Bundesamt für Umwelt schreibt in seiner Stellungnahme, die Empfehlungen der EFK bildeten eine nützliche Grundlage für die Weiterentwicklung des Instruments. Sie deckten sich grösstenteils mit den Einschätzungen des Bundes.
Es gibt aber auch zu bedenken, dass mindestens fünf der elf Empfehlungen zu einem erhöhten administrativen und regulatorischen Aufwand führen würden. Das widerspreche der allgemeinen Forderung nach weiteren Vereinfachungen und Abbau der Bürokratie. Die Finanzkontrolle hält dazu fest, angesichts der beträchtlichen finanziellen Mittel sei eine gründliche Prüfung angebracht.