Am Samstag wird der Confederations Cup in Russland mit dem Spiel zwischen dem Gastgeber und Neuseeland eröffnet. Wie immer steht beim Testlauf ein Jahr vor der WM nicht nur der Sport im Fokus.
Eigentlich ist der Fussball beim Confederations Cup nur Nebensache. Beim WM-Testlauf ein Jahr vor der Endrunde geht es jeweils darum, den Gastgeber genauer unter die Lupe zu nehmen. Das ist in Russland nicht anders als vor acht Jahren in Südafrika und vor vier Jahren in Brasilien. Auch diesmal sieht sich der WM-Ausrichter scharfer Kritik ausgesetzt. Waren es 2009 und 2013 Bedenken zum Bau der Stadien und zur Infrastruktur im Land, beäugt die weltweite Öffentlichkeit das WM-Gastgeberland Russland mehr durch die (sport-)politische Brille mit Argwohn.
Die Korruptionsvorwürfe an Russland und an die FIFA zur Vergabe der WM sind nie verstummt. Die Sportnation Russland hat seit dem aufgedeckten Dopingskandal ein miserables Image. Ebenso negativ waren die Bilder, welche vor einem Jahr von prügelnden und kriminellen russischen Hooligans an der EM in Frankreich um die Welt gingen. Beobachter berichten von gravierenden Rassismus-Vorfällen in russischen Fussball-Stadien und zuletzt machte «Human Right Watch» Missstände auf den Stadion-Baustellen publik; von über einem Dutzend toten sowie schlecht oder gar nicht bezahlten Arbeitern aus dem Fernen Osten ist die Rede.
Nun bekommt aber Russland in den nächsten zwei Wochen immerhin die Gelegenheit zu zeigen, dass es fähig ist, ein guter WM-Gastgeber zu sein. Von einem «Fest in vier Städten» sprach der Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch. Fussball-Nationalcoach Stanislaw Tschertschessow sagte: «Russland hat schon oft bewiesen, dass es fähig ist, grosse Events zu organisieren.» Er verwies dabei auf die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi.
Die Stadt am Schwarzen Meer ist neben Moskau (Spartak-Stadion), St. Petersburg und Kasan einer von vier Spielorten des Confederations Cup. Die vier Stadien sind nahezu ohne zeitlichen Probleme fertiggestellt und teilweise schon vor drei oder vier Jahren eröffnet worden. Im Gegensatz zu Südafrika und Brasilien sind diesmal wegen der Infrastruktur von Seiten der FIFA keine Drohgebärden nötig. Bei Präsident Gianni Infantino liegt vor der WM 2018 kein Plan B in der Schublade.
Schlechte Ticket-Verkaufszahlen
Ganz sorglos sind der Weltverband und die russischen Organisatoren vor dem Confederations Cup aber nicht. Die Begeisterung der Bevölkerung für den Fussball – und dies nun im krassen Gegensatz zu den letzten WM-Ausrichtern Deutschland, Südafrika und Brasilien – hält sich in engen Grenzen. Zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel sind erst 70 Prozent der Tickets abgesetzt. In Brasilien vor vier Jahren waren es zum gleichen Zeitpunkt 90 Prozent gewesen.
Das mässige Interesse hat natürlich mit der ungewissen Leistungsfähigkeit der eigenen Mannschaft zu tun, die im FIFA-Ranking nur auf Platz 63 klassiert ist. Aber nicht nur. Eishockey ist in Russland weitaus populärer. Auch Staatspräsident Wladimir Putin ist kein ausgesprochener Liebhaber von Fussball. Dass er die WM unbedingt in sein Land holen wollte, war für ihn politisches Machtkalkül und nicht der Begeisterung für den Fussball geschuldet. «Russischer Fussball? Ich wusste nicht einmal, dass der existiert», sagte Putin vor nicht allzu langer Zeit.
Seit der enttäuschenden EM 2016 ist der frühere Nationalgoalie Tschertschessow damit beauftragt, die Auswahl des WM-Gastgebers auf eine gutes Niveau zu führen. Vom Verband hat er die Order bekommen, mit der «Sbornaja» an der WM die Halbfinals zu erreichen. Das ist eine hohe Hürde, wenn man bedenkt, dass die Russen an den letzten drei WM- beziehungsweise EM-Endrunden jeweils in der Vorrunde gescheitert sind.
Tschertschessow hat im Vergleich zur EM vor einem Jahr mehr als die Hälfte des Teams ausgetauscht. Im Kader für den Confederations Cup stehen nur neun Spieler, die auch in Frankreich schon dabei waren. Russland tritt beim Heim-WM-Testlauf mit einer jungen Mannschaft an, in der grosse Namen fehlen. Alle Spieler sind in der heimischen Liga engagiert. Ausserhalb Russlands sind die meisten von ihnen wenig bekannt; so auch Stürmer Fedor Smolow, der für den FK Krasnodar spielt und in Russland eben Torschützenkönig geworden ist.
Deutschland mit B-Auswahl
Und die übrigen Teilnehmer? Bei Weltmeister Deutschland sind sie wenig begeistert über den Termin des Confederations Cup am Ende einer langen Saison und zudem gleichzeitig mit der U21-EM. Trainer Joachim Löw experimentiert in Russland und nützt die Auftritte zur Sichtung von WM-Probables. Stars wie Manuel Neuer, Mats Hummels, Jérôme Boateng, Sami Khedira, Toni Kroos, Mesut Özil und Mario Gomez sind nicht dabei.
Europameister Portugal reist zwar in Bestbesetzung an, doch ist hinter die Verfassung von Cristiano Ronaldo nach einer erfolgreichen Saison mit Meister- und Champions-League-Titel mit Real Madrid sowie vor allem vor dem drohendem Prozess wegen Steuerhinterziehung ein Fragezeichen zu setzen. Südamerika wird für einmal nicht durch Rekordweltmeister Brasilien vertreten, sondern durch das weit weniger glamouröse Chile, den Sieger der Copa America 2015 und 2016. Die weiteren Teilnehmer sind Kamerun, Mexiko, Neuseeland und Australien.