Der angeklagte Kapitän Francesco Schettino hat dem Steuermann der «Costa Concordia» die Schuld an der Havarie des Kreuzfahrtschiffes gegeben. Am ersten Prozesstag nach der Sommerpause gab Schettino vor Gericht an, der Indonesier habe seine Befehle zu spät ausgeführt.
Der indonesische Steuermann habe seine auf Englisch gegebenen Anweisungen nicht verstanden und einen gravierenden Fehler beim Manöver zur Verhinderung des Zusammenstosses mit dem Felsen gemacht, sagte der Kapitän, der sich am Montag das erste Mal beim Prozess äusserte. Ausserdem habe der Steuermann mit einer Verspätung von 13 Sekunden auf eine Anweisung reagiert.
Ein Experte der Staatsanwaltschaft hatte vor dem Gericht im toskanischen Grosseto zuvor erklärt, der Steuermann habe zwar Fehler gemacht, diese seien jedoch nicht entscheidend für das Unglück gewesen. «Zum Aufprall wäre es trotzdem gekommen», erklärte er laut der Nachrichtenagentur Ansa.
Der 52-jährige Schettino gilt bislang als Hauptverantwortlicher für die Havarie – nach Ansicht seiner Anwälte wurde er jedoch von der Reederei «Costa Crociere» im Stich gelassen und zum Sündenbock gemacht.
Antrag auf Wrack-Untersuchung
Die Verteidigung beantragte deshalb schon vor der Sommerpause eine Begutachtung des Wracks von eigenen Experten, um zu beweisen, dass Schettino nicht der Alleinschuldige sein kann. Sie verlangte unter anderem, dass die Notfallgeneratoren, die eigentlich wasserdichten Nottüren und die Vorrichtungen zum Herunterlassen der Rettungsboote überprüft werden.
Seit der spektakulären Aufrichtung des Wracks in der vergangenen Woche wäre dies auch technisch möglich, wie die Anwälte am Montag betonten. Das Gericht soll im Laufe der Woche über den Antrag entscheiden.
Schettino werden von der Anklage unter anderem fahrlässige Tötung und Körperverletzung sowie Verlassen des Schiffs vorgeworfen. Er ist der einzige Angeklagte, fünf weitere Beschuldigte hatten sich mit der Staatsanwaltschaft zunächst ohne Prozess auf ein Strafmass geeinigt.
Im Juli war gegen einen Reedereivertreter und vier Besatzungsmitglieder Haftstrafen zwischen 18 und 34 Monaten, unter anderem wegen fahrlässiger Tötung, verhängt worden. Gegen diese Strafen habe die Staatsanwaltschaft von Florenz am Montag Berufung eingelegt, berichteten italienische Medien.
Bis zum kommenden Freitag sollen im Prozess täglich Gutachter der Staatsanwaltschaft gehört werden. Insgesamt werden im Prozess voraussichtlich mehr als 400 Zeugen befragt, weshalb ein Urteil frühestens in einigen Monaten erwartet wird. Die Erlaubnis zum Steuern von Schiffen wurde Schettino schon vor Monaten entzogen.
Die «Costa Concordia» war im Januar 2012 vor der italienischen Insel Giglio auf einen Felsen gelaufen und gekentert. 32 Menschen starben beim Unglück.