Das vom russischen Grenzschutz erstürmte Greenpeace-Schiff «Arctic Sunrise» soll morgen Dienstag in der Hafenstadt Murmansk eintreffen. Der Greenpeace-Eisbrecher werde den Hafen voraussichtlich am Morgen erreichen, erklärten die Umweltschützer am Montag.
Das Schiff wurde abgeschleppt, weil sich der Kapitän nach Angaben der russischen Sicherheitskräfte weigerte, das Steuer selbst zu übernehmen. 30 Aktivisten, unter ihnen vier Russen, wurden an Bord des Greenpeace-Schiffes festgehalten.
Der Grenzschutz kündigte an, gegen sie keine Strafmassnahmen zu treffen. Allerdings bleibt ein Ermittlungsverfahren wegen Piraterie möglich. Dafür drohen Haftstrafen von bis zu 15 Jahren.
«Wir schicken ein Team und einen Anwalt nach Murmansk und hoffen, dort Kontakt mit unseren Aktivisten aufnehmen zu können», sagte Greenpeace-Sprecher Christoph von Lieven der Nachrichtenagentur dpa.
Während Greenpeace vor russischen Botschaften in mehreren Ländern gegen die Behandlung der Besatzung protestierte, verteidigte der Chef der Kreml-Verwaltung, Sergej Iwanow, das Einschreiten der Sicherheitskräfte. Die Umweltschützer hätten sich «zu radikal» für eine solch bekannte Organisation verhalten, zitierten ihn russische Nachrichtenagenturen. Er verglich ihr Handeln mit dem Vorgehen der Piraten vor der Küste Somalias.
Die russischen Grenzschützer hatten die «Arctic Sunrise» laut Greenpeace am Donnerstag gestürmt. Demnach seilten sich mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer von einem Helikopter ab. Zuvor waren bereits zwei Aktivisten – darunter ein Schweizer – festgenommen worden, weil sie eine Ölplattform stürmen wollten.
Die Umweltschützer protestieren in der Region gegen die geplante Ölforderung des russischen Konzerns Gazprom in der Arktis. Gazprom betrachtet das Priraslomnoje-Ölfeld als wichtigen Baustein seiner Geschäftsstrategie.
Offener Brief und «zynische» Festnahmen
In den drei Naturschutzgebieten der Region leben Greenpeace zufolge Eisbären, Walrosse und seltene Meeresvögel. Russische und ausländische Umweltschützer werfen dem Staatskonzern und anderen Energieriesen seit langem vor, ökologische Risiken bei der Suche nach neuen Förderquellen zu ignorieren.
Am Montag veröffentlichten rund 40 Umweltorganisationen aus Russland einen offenen Brief an Präsident Wladimir Putin. Darin fordern sie die unverzügliche Befreiung der Aktivisten. Zu den Unterzeichnern zählt auch der Direktor von WWF Russland, Igor Tschestin.
Der Zeitpunkt der Festnahme sei «geradezu zynisch»: Diese Woche steht in der nordwestsibirischen Stadt Salechard ein internationaler Gipfel zur Umweltsicherheit in der Arktis an.