Gemessen am Aktienkurs wäre die Credit Suisse zurzeit ein Schnäppchen. Die Aktie notiert so tief wie seit 25 Jahren nicht mehr. Eine Übernahmeziel ist die Grossbank nach Ansicht der Analysten dennoch nicht.
Seit August 2015 kennt die Aktie der Credit Suisse nur eine Richtung – steil nach unten. Seit damals hat sich ihr Wert mehr als halbiert. Mit 11,39 Franken am Dienstagabend war das Wertpapier wieder so tief bewertet wie letztmals 1989.
Weil das Umfeld für Banken zurzeit ganz allgemein schwierig ist, steht die Credit Suisse damit zwar nicht allein. So ist auch der europäische Bankenindex «Stoxx Europa 600 Banks» seit Jahresanfang um fast einen Drittel gefallen.
Doch für die CS-Aktie, deren Kurs noch vor elf Jahren bei über 92 Franken stand, stellt der erneute Taucher eine Fortsetzung eines schon lange anhaltenden Sinkflugs dar. «Sie notiert schon seit Monaten auf historischen Tiefstständen», sagt IG-Bank Analyst Laurent Bakhtiari dazu.
Verunsicherte Anleger
Der aktuelle Wertverlust der CS-Aktie widerspiegle die Ängste der Anleger, sagt Panagiotis Spiliopoulos von der Bank Vontobel. Sie fürchteten, dass die Bank noch zusätzliches Kapital brauchen wird, um die ambitionierten Umbaupläne umsetzten zu können. «Ein tiefer Aktienkurs ist immer ein Zeichen, dass es schlecht läuft.»
Tatsächlich gebe es bei der CS gleich mehrere Baustellen, sagt Andreas Brun von der Zürcher Kantonalbank. Neben den Rechtsrisiken, dem zu geringen Kapitalpolster und der zu tiefen Rentabilität sorge auch die angekündigte Restrukturierung für Unsicherheit. «Die Anleger sind sehr skeptisch, weil sie die Dauer, den Umfang und die Auswirkungen des Umbaus kaum abschätzen können», sagt Brun.
Für Loïc Bhend von Bordier & Cie leidet die Credit Suisse vor allem unter dem nach wie vor nicht gelösten Kapitalproblem. «Der Umstand, dass die Bank die zu geringe Kapitalisierung lange nicht als Problem gesehen hat und in der Folge auch die Investmentbank nicht entsprechend reduziert hat, missfällt dem Markt», sagt er.
Die im Oktober vom neuen Bankchef Tidjane Thiam eingeleiteten Sanierungsmassnahmen – die Kapitalerhöhung und die verstärkte Konzentration auf die Vermögensverwaltung – kamen nach Ansicht von Bhend zu spät und waren auch zu wenig umfangreich, um die Investoren zu beruhigen. Dazu kam ein Jahresverlust in Milliardenhöhe, der ebenfalls auf den Aktienkurs gedrückt hat.
Die Folge davon ist, dass die Credit Suisse heute an der Börse mit 24 Milliarden Franken nur noch halb so viel wie die UBS wert ist. Damit könnte die Grossbank theoretisch zu einem Übernahmeziel werden, sagt Bhend.
Praktisch bestehe die Gefahr jedoch nicht, weil zurzeit kein Investor an der Übernahme einer Geschäftsbank interessiert sei. Die Credit Suisse sei allein schon wegen dem Preis und den Problemen der Bank kein Übernahmekandidat, sagen auch Brun und Spiliopoulos.
Nur Bakhtiari kann sich ein Angriff auf die Credit Suisse vorstellen. «Vor einigen Monaten hätte ich gesagt, dass die Bank kein Übernahmeziel ist», sagt er. «Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher.» Klar dabei sei jedoch, dass aus regulatorischen Gründen als Käufer keine Schweizer Bank in Frage käme. «Aber ein US-amerikanisches oder europäisches Finanzinstitut könnten Interessenten sein.»
Ende der Schonzeit für Rohner und Thiam
Ein Argument für eine Übernahme ist, dass gemäss Bakhtiari die CS-Aktie zurzeit eindeutig unterbewertet ist. Als Grund dafür sieht der Analyst, dass die neue Strategie zwar plausibel sei, aber noch keine Resultate liefere.
Das könnte auch zum Stolperstein für Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner werden. Mit der Ernennung von Thiam zum neuen CS-Chef vor einem Jahr habe er zwar vorübergehend den Druck auf seine Position reduzieren können, sagen die Analysten. Jetzt jedoch sei diese Verschnaufpause und damit die Schonzeit für Rohner aber auch Thiam vorbei.