Ein Religionsartikel in der Verfassung, eine gelockerte Schuldenbremse und eine Arbeitsmarktreform für die digitale Welt: Nach drei Monaten im Amt skizziert CVP-Präsident Gerhard Pfister, mit welchem Programm die Christlichdemokraten in die Zukunft gehen könnten.
Die CVP werde als Familienpartei wahrgenommen, nun solle sie sich aber «weitere Kompetenzfelder» erarbeiten, sagte Pfister in einem Interview, das in den Zeitungen «Zentralschweiz am Sonntag» und «Ostschweiz am Sonntag» erschien.
Eine Umfrage bei den Kantonalparteien und ab August bei den CVP-Mitgliedern soll Aufschluss darüber geben, wohin die Reise der Traditionspartei geht. «Wir wollen wissen, was ihnen wichtig ist an der CVP und wo sie Änderungsbedarf sehen», sagte Pfister.
Als erste Vorstellung hat das CVP-Präsidium laut Pfister drei Themen definiert. «Erstens fordern wir eine zukunftsgerichtete Finanzpolitik mit einem staatlichen Zukunftsfonds.» Trotz extrem tiefer Zinsen und geringer Schuldenquote baue der Bund weiter Schulden ab. Pfister überlegt sich, ob die Schuldenbremse angepasst werden sollte, um «zukunftsgerichtete Investitionen» zu ermöglichen.
Religionsartikel statt Burka-Initiative
Zweitens solle sich die CVP in die Diskussion um Rechtsstaat und Fundamentalismus einbringen. «Wir müssen vielleicht wieder über einen Religionsartikel in der Verfassung diskutieren», sagte er. Ein solcher könne regeln, welche Werte für alle gelten und nicht verhandelbar sind. Pfister könnte sich vorstellen, die Idee als Gegenvorschlag zur Burka-Initiative einzubringen, welche ein «Einzelproblem» regle, während die Diskussion eine andere sei.
Schliesslich sieht Pfister als möglicher Pfeiler der CVP-Politik den Umgang mit der Digitalisierung, die in der Arbeitswelt riesige Fragen aufwerfe: «Was machen wir mit Menschen, die vor allem praktische Fähigkeiten besitzen, wenn nur noch Arbeit vorhanden ist, die eine akademische Bildung voraussetzt?», fragt er. Es müssten aber auch die Regelungen zur Arbeitszeit angepasst werden.
Im kommenden Jahr sollen aufgrund der Mitgliederbefragung Massnahmen verabschiedet werden. «Die neue Strategie ist langfristig, deshalb müssen und können wir uns dafür Zeit nehmen», sagte Pfister.
Ruhige Kritiker
Der Zuger Nationalrat Pfister war im April konkurrenzlos zum Nachfolger von Christophe Darbellay und damit zum Präsident der CVP gewählt worden. Ihm gefalle das neue Amt, sagte Pfister. Er zeigte sich überrascht, «wie schnell» die Kritik an ihm «sehr diskret geworden sei».
Pfister steht am rechten Rand der CVP, weshalb seine Ambition aufs Präsidentenamt beim linken Parteiflügel zunächst auf Widerstand stiess. Kritiker redeten nun mit ihm, als ob nie was gewesen wären, sagte Pfister. Das zeige ihm, dass Kritik – und Lob – in der Politik nicht überbewertet werden solle. «Ich bin immer noch vorsichtig und gehe davon aus, dass ich weiter Vertrauen schaffen muss.»