Vor 100 Jahren wurde in der «New York World» das erste Kreuzworträtsel veröffentlicht. Der Erfolg kam über Nacht – und hält bis heute an.
Weihnachten ist die Zeit, in der alle Welt zugleich Stress und einen unbändigen Bedarf nach Zeitvertreib hat. Alle Angelegenheiten müssen noch im alten Jahr erledigt werden, während man in Ruhe die Besinnlichkeit geniessen soll. Der Widerspruch nervt alle, doch niemand kann ihn umgehen.
Aber immer wieder hatte das Jahresende auch sein Gutes. Im Dezember 1913 erhielt der Journalist Arthur Wynne vom Chefredaktor der «New York World» den Auftrag, sich für die Weihnachtsbeilage einen hübschen Zeitvertreib einfallen zu lassen. Zwei Tage lang setzte sich Wynne hin und heckte mit dem «Fun’s Word-Cross Puzzle» das erste Kreuzworträtsel aus. 31 Fragen, die man horizontal und vertikal beantworten muss – der Erfolg kam über Nacht.
Eine der Fragen gibt sich ganz allgemein: «What this puzzle is». Für die Antwort könnte man philosophisch werden. Stattdessen heisst sie: «hard». Schwierig. Natürlich ist es möglich, dass die Knobler des Ur-Rätsels so sehr mit den Anforderungen des neuen Formats beschäftigt waren, dass sie an Fragen wie «The plural of is» zu knacken hatten. Oder man darf Herrn Wynne Ironie bescheinigen.
Kreuzworträtsel – gelehrt und Boulevard
Kreuzworträtsel waren nämlich durchaus nicht dafür gedacht, schwer zu sein – behauptet jedenfalls der Germanist und Rätselforscher Tomas Tomasek. Sie tauchten zu einem Zeitpunkt auf, als die Auflagen von Zeitungen stark stiegen und vermehrt von der ungebildeten Arbeiterklasse gelesen wurden. Kreuzworträtsel waren Boulevard. Deshalb wehrte sich das Intelligenzblatt «Times» lange gegen den Boom, bis es 1930 klein beigab und die Rätsel später sogar im Grossformat auf der Rückseite abdruckte.
Ganz anders kommt das erste Kreuzworträtsel daher, das in der Schweiz erschien, und zwar 1925 in der «Schweizer Illustrierten Zeitung». Hier musste man biblische Personen raten, eine griechische Göttin und mythologische Figuren. Bildungsbürger vor! Ob das völkische Rätsel nur eine Begleiterscheinung des Bildungsrätsels ist, oder es umgekehrt sogar geprägt hat, darüber führen Literaturwissenschaftler eine aufwendige Debatte.
Gerätselt wird jedenfalls schon so lange, wie es Kulturen gibt. Kreuzworträtsel sind mit schätzungsweise 42 Millionen Gelgenheitsknoblern im deutschsprachigen Raum besonders beliebt, wie der Rätselkenner und -autor René Lehner berichtet. 12 Millionen Eingefleischte sind da noch nicht mitgerechnet: Sie lösen nur mit dem Kugelschreiber. Ehrensache. Wer ausradiert hat nur probiert.
Dass der Brite (1862-1945) das erste Kreuzworträtsel veröffentlicht hat, ist unbestritten, wer es erfunden hat, hingegen Mythos. Sogar Lewis Caroll, Autor von «Alice in Wonderland», kommt in Frage. Das Patent hatte Wynne so oder so verpasst.