Kann man sich überhaupt noch Vorabend-TV ohne die gelbe Familie vorstellen? Kaum. Zum Jubiläum erinnern wir an 7 Erfolgsgeschichten der animierten Kultserie. Bring it home, Homer!
Vor 25 Jahren, am 17. Dezember 1989, lief erstmals eine Folge von «The Simpsons» im US-Fernsehen. Seither hat die Serie alle Rekorde gebrochen: keine lief länger, keine umfasste mehr Folgen, keine erhielt mehr Auszeichnungen als der krude Mikrokosmos dieser All-American-Family aus Springfield. Zum Jubiläum: sieben Erfolgsstorys der Serie.
1. Die erste Episode: «Roasting On An Open Fire»
Die Weihnachtsepisode von 1989 war der Auftakt zur ersten Staffel, jedoch nicht der erste Auftritt von Springfields Vorzeigefamilie im US-Fernsehen. Ihr Schöpfer Matt Groening, vorher als Zeichner des Zeitungsstrips «Life In Hell» aufgefallen, erhielt den Auftrag, für eine Comedy-Show der Sängerin und Schauspielerin Tracy Ullman kurze Animationsfilme zu zeichnen. Das Resultat waren die «Simpsons Shorts», eine Abfolge von Alltagssketches mit grobschlächtig gezeichneten und charakterlich kaum ausdifferenzierten Figuren.
Die zentralen Elemente wurden erst in der Pilotepisode «Roasting On An Open Fire» angelegt: Bart war der Klassenschreck, Lisa die multikulturell interessierte Streberin, Marge die nach moralischen Leitplanken agierende Erzieherin – und Homer der glücklose Arbeiter aus dem Kernkraftwerk und liebevolle Familienvater. Noch fehlte der anarchische Humor der späteren Staffeln, doch schon hier begann Groening die tristeren Seiten des amerikanischen Familienalltags auszuleuchten: Geldknappheit, Egoismus, Demütigung einer Mittelschicht auf dem Abstieg. Bei allem schrägen Witz und – zumindest in den ersten zehn Staffeln – subversiv politischen Untertönen, die die Serie noch erhalten sollte, hielt Groening diesen Wesenszug seiner Schöpfung stets aufrecht: Unerschütterliche Solidarität im Alltagskrampf des kleinen Mannes.
2. Der Couch-Gag
Mittlerweile ein Klassiker der Serie, auch bei über 500 Folgen: am Ende des Vorspanns rennen die Simpsons zu ihrer braunen Couch vor den Fernseher, wo ihre nächste Episode beginnen wird.
Der «Couch-Gag» variierte in den ersten Staffeln nur leicht, doch er entwickelte mit der Zeit ein Eigenleben, in dem die Simpsons-Macher ihre Charaktere verunstalteten, fleissig die Popkultur zitierten (etwa mit dem berühmten Fuss aus Monty Pythons’s Flying Circus) und manchmal eigentliche Vorfilme entwarfen. Grosse Resonanz fand die Evolutionsgeschichte nach Homer Simpson, liebevoll waren die Hommages an «Lord of the Rings» und «Game Of Thrones» und auf ungewohnte Weise selbstkritisch die Eröffnungssequenz, die der britische Street Artist Banksy entwarf: eine düstere Anklage an die sklavischen Produktionsbedingungen von US-Animationsfilmen, deren Anfertigung längst nach Fernost ausgelagert wurde. Der Vorspann inklusive Couch-Gag ist mittlerweile derart populär, dass er selbst Nachahmer findet. 2006 hat der britische TV-Sender Sky One die Eröffnungssequenz mit echten Schauspielern nachgestellt. Alles da, alles echt – abgesehen vom radioaktiven Brennstab im Nacken.
3. Treehouse Of Horror
Seit der zweiten Staffel durchbrechen die Simpsons-Macher regelmässig die strikten Parameter der Serie: Charaktere sterben (ansonsten ein Ereignis von höchster Rarität in Springfield), Familienverhältnisse werden durcheinander geschüttelt, Zeit und Raum durchbrochen. In diesen Halloween-Specials wird in Sachen Gewalt und absurdem Schabernack richtig die Sau rausgelassen, andererseits ist diese Dunkelkammer der Serie ein Zitatenfestival der Populärkultur, das seinesgleichen sucht. Ob Klassiker des Gruselgenres wie Stokers Dracula, Poes Rabe oder der Golem aus Prag – ob High-End-Horror à la Stephen King oder Kultobjekte aus dem B-Movie und Splatterfilm: kaum eine Horrorreferenz, die noch nicht den Weg nach Springfield gefunden hat.
4. Die Gesellschaftssatire
Die Serie war stets am bissigsten, wenn sie den Herdentrieb der Bewohner Springfields aufs Korn nahm. Das Grundmuster blieb dabei immer relativ stabil: ein Fremder (oder seltener auch ein Stadtbewohner) taucht mit einer grotesken Idee auf, und die ganze Gemeinschaft macht mit. Ob eine unnütze Magnetbahn, eine verlogene Sekte, eine zweckfreie Geheimgesellschaft namens «Steineschneider» oder ein barbarischer Lokalfeiertag, an dem traditionell Schlangen zu Tode geprügelt werden: Springfield ist dabei. Manchmal gibt angestachelter Patriotismus den Ausschlag, manchmal reicht perfides Marketing oder ein eingängiger Song, um die niederen Instinkte der Bewohner zu aktivieren. Diese raffiniert polemischen Studien der Volksseelen sind zugunsten schnellem Klamauk und niedlicheren Plots rar geworden, aber sie haben das Fundament für den Ruhm der Serie gelegt: eine Massenverführung, die Massenverführungen aufs Korn nimmt und die raren Stimmen der Vernunft (meist beschränkt auf Mutter Marge und Tochter Lisa) überdröhnt. «Sorry Mam, the Mob has spoken», sagt Bart lakonisch in der «Monorail»-Folge. Und der Mob hat in Springfield immer recht, auch wenn er nie was aus seinen Irrungen lernt.
5. Homer Simpson: die Rache des kleinen Mannes
In Springfield, dieser Ansammlung von Taugenichtsen und Ignoranten, ragt Homer Simpson besonders heraus. Er ist faul und fett, ungebildet und unbegabt, dazu säuft er, kümmert sich kaum um die Erziehung seiner Kinder und lässt seinen Vater im Seniorenheim versauern. Kurz: ein Assi, ein Proll, einer, der es im echten Leben höchstens zu RTL II schaffen würde. Als Cartoonfigur zählt er jedoch zu einer der beliebtesten Fernsehcharaktere der Geschichte. «USA Today» hat ihn einst gar zu einer der 25 einflussreichsten Persönlichkeiten der vergangenen 25 Jahre gewählt. Nicht verwunderlich: kaum einer verkörpert die lustvolle Pervertierung des amerikanischen Traums so hochkomisch wie er – auch wer weder über Talent, Willen noch Fleiss verfügt, kann es nach oben schaffen.
War in den ersten drei Staffeln noch Sohn Bart die eigentliche Hauptfigur, so ist Homer fortlaufend ins Zentrum der Serie gestolpert und hat, ohne jegliche Qualifikation, die wundersamsten Karrieren hingelegt: Astronaut und Polizeichef, «Internet-King» und Pop-Artist – und selbst das Kernkraftwerk, wo er üblicherweise als Sicherheitschef das grösste Sicherheitsrisiko darstellt, hat er schon einmal übernommen. Als einmal die echte Welt, wo normalerweise auf eine gute Ausbildung und Einsatz Wert gelegt wird, in Form von Frank Grimes ihm als Arbeitskollege zur Seite gestellt wird, treibt Homer den seriösen Arbeitnehmer zuerst in die Verzweiflung und schliesslich ins Grab. «If something’s hard to do, then it’s not worth doing», gibt er an anderer Stelle Bart auf den Weg. In Springfield, dieser besten aller schlechten Welten, macht man damit eine Weltkarriere.
6. Die Prominenten
Wer so berühmt ist wie die Simpsons, bei dem schauen Stars niederen Ranges gerne auf einen Besuch vorbei. Von Paul McCartney erhält Lisa Tipps fürs vegetarische Glück, von den Rolling Stones lernt Homer den Rock’n’Roll, und Michael Jackson zieht – inkognito – bei den Simpsons ein. Beschränkten sich die Gastauftritte anfangs auf die prominente Kollegschaft der Simpsons, nämlich amerikanische TV-Gesichter, so tauchten mit zunehmendem Ruhm der Serie internationale Stars sowie Prominenz aus Sport, Wissenschaft und Zeitgeschichte in Springfield auf. Die Ramones kamen für ein Geburtstagsständchen, Cristiano Ronaldo zeigt seine Tricks, Buzz Aldrin begleitet Homer ins All, und selbst der US-Schriftsteller Thomas Pynchon, von dem es seit 40 Jahren nicht einmal ein Foto gibt, schaute vorbei – verdeckt natürlich, mit einer Tüte auf dem Kopf. Und manchmal verzichtet die Prominenz gar auf die Namensnennung und übernimmt schlicht eine Rolle, wie Johnny Cash als «Space Coyote», der Homer durch einen psychedelischen Trip führt. Die schier endlose Liste an Star-Appearances macht deutlich, wo die Simpsons mittlerweile angekommen sind: im Pantheon der Alltagskultur.
7. Die Weltkarriere
Mit steigendem Erfolg der Serie regte sich auch im Ausland das Interesse an den Geschehnissen in Springfield, und im Gegenzug verliessen die Simpsons ihr Einfamilienhaus an der Evergreen Terrace und bereisten andere Länder. Als erstes trifft es Bart, der als Austauschschüler in Frankreich landet und zu Sklavenarbeit auf einem Weingut verdonnert wird. Später reist die Familie nach Japan, wo Filmmonster und bizarre TV-Spielshows laufen; nach China, wo bald einmal Panzer über den Tiananmen-Platz rollen; nach England, wo sie auf Tony Blair und J.K. Rowling treffen (in echt), und schliesslich auch ins Heilige Land.
Gerade der letzte Beitrag zeigt, in welche Richtung sich die Serie zum Verdruss der frühen Fans entwickelt hat: wurden in früheren Reise-Episoden wie dem Brasilien-Trip noch Amerikas eingeschränkter Blick auf die Welt als Mischung aus Ignoranz, Überheblichkeit und Paternalismus köstlich karikiert, rezyklieren spätere Trips einzig die Stereotypen und Touristenorte der jeweiligen Destinationen.
Das sorgt manchmal für gelungene Gags dank Personal wie Sacha Baron Cohen, der einen israelischen Reiseführer mimt, erschöpft sich jedoch mehrheitlich in Slapsticks. Gross und global sind sie geworden, die Simpsons, und sie haben in ihrem steten Wachstum auch die eine oder andere Kante verloren.