Über das eigene Bild von Gott und das Praktizieren einer Religion entscheidet in der so genannten Ich-Gesellschaft jede und jeder für sich allein, dabei gibt es Vier-Typen.
Über das eigene Bild von Gott und das Praktizieren einer Religion entscheidet in der so genannten Ich-Gesellschaft jede und jeder für sich allein. Dies heisst es in einer Studie des Nationalfonds. Forschende aus St. Gallen und Lausanne haben sich in einer Umfrage ein Bild von der Religiosität und der Spiritualität der Menschen in der Schweiz gemacht.
Den Rahmen für die Studie gab das Nationale Forschungsprogramm «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft» (NFP 58), wie der Nationalfonds am Montag mitteilte.
Wunderwirker oder Illusion
Das Forscherteam macht vier Typen von Glaubensvorstellungen aus:
Zur grössten Gruppe, den «Distanzierten» gehören mehr als die Hälfte der 1229 Befragten, nämlich 57 Prozent. Diese Gruppe dürfte in Zukunft weiter wachsen. «Sie wissen nicht so recht, wie sie sich Gott vorstellen sollen», schreibt das Forscherteam im Buch zur Studie.
Die zweite Gruppe, die «Institutionellen», machen mit 18 Prozent knapp ein Fünftel aus. Während sich katholische und reformierte Kirchen zunehmend entleeren, wachsen innerhalb dieser Gruppe die Freikirchen. 99 von 100 «Institutionellen» sind der Ansicht, dass sich Gott für jeden einzelnen Menschen interessiert.
Wer sich einer Freikirche zugehörig fühlt, sieht «Gott als übernatürlichen Freund, Herrn und Wunderwirker». Für Katholikinnen und Katholiken sowie Reformierte scheine Gott dagegen «als Mischung aus Vater-Mutter-Figur und transzendentem Psychoanalytiker», schreiben die Forscher.
Von den «Alternativen» wird Gott hingegen meist «als eine Licht-Kraft-Energie» verstanden. Zu den «Alternativen» zählten die Forscher 13 Prozent. Die restlichen 12 Prozent schlugen sie der vierten Gruppe zu, den «Säkularen». Diese Gruppe, die Gott oft für eine Illusion hält, dürfte in den nächsten Jahren stark wachsen.
Das eigene Ich ist Richtschnur
Doch unabhängig von der Gruppe entscheiden die Menschen zunehmend für sich alleine, wie und woran sie glauben und welche Religion sie praktizieren wollen.
Nicht nur für Gläubige, sondern auch für Ungläubige ist nach den Erkenntnissen des Forscherteams das eigene Ich Richtschnur für diesen Entscheid. Und sie machen eine konsumorientierte Haltung aus: Sowohl religiöse wie auch weltliche Freizeitangebote würden zunehmend nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis beurteilt.
Weltliche Freizeitaktivitäten setzen sich dabei zunehmend gegen Aktivitäten religiöser Glaubensgemeinschaften durch: Gingen Kinder sonntags zum Sport statt in die Sonntagsschule, behindere das ihre religiöse Sozialisierung, schreibt der Nationalfonds. Besonders bei Reformierten und Katholiken komme es zu Brüchen mit Traditionen.
Darin sehen die Forscher auch eine Erklärung, weshalb das kirchliche Marketing sich verbreitet. Umgekehrt sehen sie bei den Menschen zunehmende Skepsis gegenüber Religionen: 85 Prozent sind ganz oder eher der Ansicht, dass angesichts der Geschehnisse weltweit Religionen «eher zum Konflikt als zum Frieden» führen.