«Das Blutbuchenfest»: Übrig bleibt eine schmutzige Feier

Die Leipziger Buchmesse steht ins Haus und mit ihr die Verleihung des gleichnamigen Literaturpreises. Wir stellen die fünf Finalisten vor. Nummer drei: «Das Blutbuchenfest» von Martin Mosebach.

(Bild: Hansjörg Walter)

Die Leipziger Buchmesse steht ins Haus und mit ihr die Verleihung des gleichnamigen Literaturpreises. Wir stellen die fünf Finalisten vor. Nummer drei: «Das Blutbuchenfest» von Martin Mosebach.

Noch ein Vor-dem-Fest-Buch, das für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ist. Wie bei Saša Stanišić ist auch bei Martin Mosebach die Luft unheilschwanger und entlädt sich in einem Fest. In keine heitere Feier mündet die Erzählung, sondern in eine Zerfallsorgie der Frankfurter High Society. Gleichzeitig bricht auf dem Balkan der Bosnienkrieg aus. Das eskalierende Fest unter der blutroten Buche ist das Einzige, was aus den fadenscheinigen Anstrengungen der Bildungsbürger hervorgeht, den Balkankonflikt aufzuhalten. Ein Kongress und eine Ausstellung finden beide nicht statt, zurück bleibt Wichtigtuerei.

Mosebach breitet seine Schilderungen weit aus, kilometerweit. Da folgen nicht Handlungen aufeinander, sondern werden Situationen ausgewallt wie ein Teig. Etwa im Fall der Putzfrau Ivana, die im luxuriösen Badezimmer ihrer Herrin ein verbotenes Bad nimmt, während diese abwesend ist. Vom schaumigen Plätschern in der Wanne aus erzählt Mosebach das halbe Leben der Ivana und das ihrer Herrin dazu.

Wie vor 100 Jahren

Martin Mosebach

Martin Mosebach (Bild: Udo Weier)

Man ist, auch durch Mosebachs akkurate Sprache des poeta doctus, an die grossen Erzähler des vorigen Jahrhunderts erinnert. Roman Bucheli zieht in der NZZ den Vergleich zu Robert Musil (mit dem Fazit: «Was lernen wir aus dieser Art Parallelaktion? Nichts.»). Nicht alle Leser wird dieser Stil in einem Buch von 2014 bei der Stange halten. Man assoziert beim Lesen rauchige Salons und merkt dann wieder: Ach ja, das sollen ja die 1990er sein.

Doch Mosebachs Beoachtung ist fein und der Humor hat Kern. Sei es die Putzfrau in der Wanne oder der Ich-Erzähler, ein unbeschäftigter Kunsthistoriker, der Kenntnis vorspielt, wo er keine Ahnung hat.

Ob Mosebachs freche Frische mit der epischen Breite in Balance tritt, wird jedem Leser anders gehen.

In jedem Fall schön: Mosebach erzählt die Brüchigkeit der vornehmen Herrschaften bottom-up, betrachtet sie von unten her aus den Augen der Putzfrau und des unwichtigen Historikers. Man sieht sie, als würde man ein löchriges Papier gegen das Licht halten.

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Martin Mosebach: «Das Blutbuchenfest». Hanser, 448 Seiten. 

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