Nach dem Ja zum Energiegesetz ist die Diskussion über die Zukunft der Energiepolitik neu lanciert. Während die Linke nun möglichst rasch aus der Atomkraft aussteigen möchte, weibeln die Kantone bereits für Sofortmassnahmen für die Wasserkraft. Einig sind sich Befürworter wie Gegner, dass die drängendsten Fragen noch ungelöst sind.
Der heutige Tag sei historisch, weil die Schweiz den Ausstieg aus der Atomenergie besiegelt habe, jubelte der Waadtländer SP-Nationalrat Roger Nordmann. Die Grüne Partei spricht von einem Durchbruch, der die Energieversorgung nachhaltiger, sauberer und dezentraler mache. Aus Sicht der CVP haben die Umwelt und die Wirtschaft gleichermassen gewonnen.
Für den Städteverband ist das Resultat eine Bestätigung einer Energiepolitik, die in vielen Städten und Gemeinden bereits erfolgreich umgesetzt wird. Das Ja schaffe zudem Rechts- und Planungssicherheit.
SVP: 40 Franken und nicht mehr
Weniger euphorisch gibt sich die FDP, die in der Frage gespalten war und nur knapp die Ja-Parole beschlossen hatte. Das «knappe Resultat» zeige, dass auch die Bevölkerung skeptisch sei. Das Gesetz tauge nur als Übergangslösung. Die Strom- und Energieproduktion müsse näher an den Markt gebracht werden.
Die Abstimmungsverliererin SVP, die das Referendum gegen das Energiegesetz ergriffen hatte, zeigt sich kämpferisch. Der Bevölkerung und der Wirtschaft sei mit Versprechungen die «Energiewende zum Nulltarif» schmackhaft gemacht worden.
«Wir werden den Bundesrat und die Befürworter an den 40 Franken messen, welche die Energiestrategie jährlich kosten soll», sagte SVP-Präsident Albert Rösti. Es sei an den Abstimmungssiegern zu zeigen, wie die Versorgungssicherheit garantiert werden könne.
Debatte lanciert
Dass die Schweiz bei Energiepolitik vor grossen Herausforderungen steht, streiten auch die Befürworter nicht ab. Eine drängende Frage sei etwa, wie die Versorgungssicherheit im Winter garantiert werden könne, sagte der Solothurner CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt.
FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi erklärte im Fernsehen SRF, die grossen Diskussionen würden noch stattfinden. Dabei gehe es vor allem um die Frage, wie die Atomenergie langfristig ersetzt werden könne.
Auch für die Grünliberalen ist das revidierte Energiegesetz nur ein Zwischenschritt. Es brauche weitere Massnahmen, um den CO2-Ausstoss langfristig zu reduzieren. Dabei setzt die Partei weiterhin auf ein Lenkungssystem, obwohl dieses im Parlament nicht mehrheitsfähig ist. Aus Sicht der Grünliberalen bietet es liberale und wirksame Anreize.
Kantone für Wasserkraft
Den Druck erhöhen die Kantone. Sie fordern Sofortmassnahmen für die Wasserkraft und unterstützen dabei den Entscheid der Umweltkommission des Nationalrates (UREK). Diese will die Wasserkraft mit einer Abnahmegarantie stärken: Verbraucher in der Grundversorgung sollen nur noch Strom aus Wasserkraft erhalten. AKW-Strom und Importstrom würden aus der Grundversorgung verbannt.
Gleicher Meinung ist nicht überraschend die Strombranche. Die Vorlage müsse ohne Nachteile für die Branche umgesetzt werden, fordert der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). Der beste «Trumpf» sei dabei die Wasserkraft.
Wirtschaft gespalten
Energieministerin Doris Leuthard warnte am Sonntag vor voreiligen Entscheiden. Sie rufe dazu auf, nicht «irgendwelche Beschlüsse aus der Tüte zu zaubern», sagte die Energieministerin vor den Medien in Bern. Die in der UREK angedachte Lösung sei aus Sicht des Bundes «nicht ausgereift». Zudem enthalte das revidierte Energiegesetz bereits 120 Millionen zugunsten der Wasserkraft.
Weitere Subventionen lehnt auch der Gewerbeverband ab. Aus seiner Sicht ist das neue Energiegesetz ein erster Schritt hin zu einer marktwirtschaftlichen Energiepolitik. Es sei genug Geld auf Kosten der KMU und Konsumenten verteilt worden, kritisiert der Verband. Stattdessen soll der Strommarkt endlich ganz liberalisiert werden.
Wie schwer sich die Wirtschaft in der Frage tut, zeigt auch der Umstand, dass der Dachverband economiesuisse keine Parole gefasst hat und sich auch am Abstimmungssonntag nicht äussern wollte.