Die SVP nominiert mit Norman Gobbi einen Bundesratskandidaten, der in der Vergangenheit mit rassistischen Sprüchen aufgefallen ist. Und die Bürgerlichen lassen sich das tatsächlich gefallen.
Eine Partei strebt einen zweiten Bundesratssitz an und macht mit der Schweiz, was sie will. Das Land tanzt nach ihrer Geige, hat kaum eine eigene Position, weder Standort noch Standpunkt. Seit Wochen scheint die Frage, wer der zweite SVP-Bundesrat sein wird, das wichtigste Thema der Welt zu sein, ohne dass man sich Gedanken darüber macht, ob dieser zweite Sitz unter gegebenen Verhältnissen gerechtfertigt ist. Dieser Anspruchs-Mist ist offenbar geführt.
Man lässt es sich gefallen, dass die «vorschlagende», im Grunde aber diktierende Partei ihre Kandidaten einzig nach dem Prinzip der Machterweiterung aussucht und nicht mit Blick auf das Landeswohl. Schamlos verkündete der SVP-Fraktionspräsident, dass man darum einen Zusatzbundesrat aus der lateinischen Schweiz wolle, weil der parteipolitische Wachstumsprozess in diesen Teilen der Schweiz dies erfordere.
Andererseits ist ihr der Propagandaauftritt mit dem Ticket, das alle drei Landesteile der Schweiz berücksichtige, derart prioritär, dass sie auch ein kleines Ungeheuer aus dem Tessin auf die Vorschlagsliste setzt. Dieses kleine Ungeheuer heisst Norman Gobbi von der Lega dei Ticinesi. Der Nominierte ist im Moment immerhin sogar Präsident der Tessiner Kantonsregierung, was viel aussagt über den Zustand dieses Kantons. Soll die Lega nun aber auch in der schweizerischen Landesregierung ankommen?
Ein Grobian für mehr Gehör?
Die SVP hält dies für wünschenswert und das arme Land lässt sich das gefallen, ohne bisher den nötigen Einspruch angemeldet zu haben. Man könnte sagen, dass ein solcher Einspruch nicht nötig sei, da das kleine Ungeheuer doch nicht gewählt würde. Mag sein. Der Skandal ist indessen weniger Gobbi als die Partei, die ihn bedenkenlos meint vorschlagen zu können, nachdem sie ihn ein paar Tage zuvor zum Parteimitglied gemacht hat. Auch ein Beweis dafür, wie autoritär diese Partei fuhrwerkt.
Ein angestrebter Nebeneffekt ist, bei der Tessiner Rechten als Kraft aufzutreten, die etwas für die vernachlässigte italienische Schweiz unternimmt. Die Tessiner der verschiedensten Richtungen sehen sich jetzt vor dem Dilemma, sich für einen groben Parteimann aussprechen zu müssen oder mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, nichts für den eigenen Kanton zu tun und sozusagen eine «Chance» zu verpassen, endlich wieder in der Bundesexekutive vertreten zu sein und sich in Bern besser «Gehör» zu verschaffen.
Endlich: Das Tessin ist seit 16 Jahren, seit dem Rücktritt Flavio Cottis, nicht mehr im Bundesrat vertreten. Das ist an sich nicht gut, und auch darum (neben der Belastungsfrage) müsste das schweizerische Regierungskollegium auf neun Sitze erweitert und eine solche Erweiterung mit einer vorgeschriebenen Tessiner Vertretung verbunden werden.
Und einem Walther Bringolf, Präsident der SPS und 1959 erfolgloser Bundesratskandidat, wurde unter anderem zum Verhängnis, dass er über ein Vierteljahrhundert zuvor Kommunist gewesen war, was in der Schweiz offenbar gravierender ist, als Rassist zu sein. Oder Chauvinist: In den letzten Tagen war sogar Oskar Freysinger, der Walliser SVP-Poet, dem wegen seinen frauenverachtenden Gedichten die Mitgliedschaft im Schriftstellerverband verweigert wurde, als Bundesratsvariante gehandelt worden.
Vom Wallis zurück ins Tessin: SP-Nationalrätin Marina Carobbio sagte es deutlich: «Es genügt nicht, Tessiner zu sein.» Leider ganz anders, wenn auch nur aus taktischen Überlegungen, verhalten sich bürgerliche Spitzenpolitiker des Tessins. Sowohl Nationalrat Ignazio Cassis (FDP) als auch Nationalrat Fabio Regazzi (CVP) lassen sich in den Medien als Befürworter und Supporter einer Kandidatur Gobbi zitieren.
Das spielt insofern keine Rolle, als der Lega-Lokalheld in Bern ohnehin nicht gewählt werden wird. Es spielt insofern aber eine Rolle, als die bürgerliche Schweiz einmal mehr vor der Frage steht, was und wie viel davon sie sich eigentlich gefallen lassen soll.