Leser Marcus Tschudin hat bei den Politprofis genau hingehört und bekundet Mitleid mit Journalisten. Er fragt sich angesichts der Antworten: «Was wollen die uns eigentlich sagen?»
Je älter ich werde, desto mehr bekunde ich Mühe mit der verquasten Sprache von Politikern, Behördenvertretern, Managern und anderen Spitzen der helvetischen Gesellschaft. Schauen und hören Sie doch mal einige Interviews mit Bundesräten, Chefbeamten und Wirtschaftsführern an, die regelmässig in den Schweizer Tageszeitungen erscheinen beziehungsweise per Radio oder Fernsehen ausgestrahlt werden:
Dieser unsägliche Hang zu Plattitüden. Diese gedrechselten verbalen Leerläufe. Diese konstante Weigerung, kritische Fragen zu beantworten. Dieses zwanghafte Bemühen, eigene Botschaften durchzudrücken. Dieser krankhafte Reflex, unbestreitbare Sachverhalte abzustreiten. Diese unausrottbare Seuche, Schwurbeleien abzusondern, die dies, jenes oder auch etwas ganz anderes bedeuten können und sich bei politischem Bedarf jederzeit in ihr Gegenteil verkehren lassen. Diese verzweifelten Ausreden und fadenscheinigen Ausflüchte.
Ein paar wiederkehrende Beispiele:
Wird der prominente Interviewte gefragt, wie er sich zum soeben bekannt gewordenen skandalösen Korruptionsskandal in seinem Departement stelle, lässt er mit staatsmännischer Miene verlauten: «Dazu kann ich mich angesichts des laufenden Verfahrens nicht äussern; im Übrigen gilt die Unschuldsvermutung.» Danke.
Auf die Frage, ob er konkret sagen könne, wie die Verhandlungen mit dem Schurkenstaat X vorankämen, schaumschlägt ein anderer Hochrangiger: «Ich spüre auf beiden Seiten eine konstruktive Offenheit. Wir haben grosse Fortschritte gemacht, aber es gibt noch viel zu tun.» Ach ja?
Eine ebenfalls arg strapazierte Worthülse: «Wir stehen vor grossen Herausforderungen, die wir nur mit einer gemeinsamen Anstrengung bewältigen können.» Nid möööglig!
Am meisten aber nervt mich eine vor allem bei der classe politique höchst beliebte Replik. Diese ertönt wie das Amen in der Kirche immer dann, wenn von Journalisten ein Misstand und ein damit einhergehender Vorwurf aufs Tapet gebracht wird, und lautet: «Das stimmt so nicht.» Aha.
Was will der mit allen Wassern gewaschene, auf die nächsten Wahlen schielende Politprofi, der es aus schierem Überlebenstrieb gewohnt ist, mit der Wahrheit äusserst sparsam umzugehen, damit wohl sagen? Dass der Vorwurf zwar gerechtfertigt sei, aber in dieser Form nicht zutreffe? Oder dass er im Wesentlichen zwar zutreffe, in dieser Absolutheit jedoch nicht gerechtfertigt sei?
Ich sags Ihnen: Es ist ganz einfach der untaugliche Versuch, sich aus einer bedrohlichen Zwickmühle herauszuwinden. Dass die Kritik unberechtigt ist, kann der Schlaumeier nicht überzeugend darlegen; dass sie berechtigt ist, darf er auf keinen Fall zugeben. Also schiebt er das Wörtchen «so» dazwischen, dessen zwei Buchstaben er allerdings eine gewaltige Last an Unausgesprochenem, Widersprüchlichem, Fragwürdigem und Verlogenem aufbürdet.
Was hör ich da?
Ich sei einer dieser ewigen Nörgler und Besserwisser, die angesichts der deprimierenden Weltlage nichts Gescheiteres zu tun hätten, als an den harmlosen Unzulänglichkeiten unserer hochwohllöblichen Obrigkeit rumzumäkeln? Darauf gibts nur eine Antwort: Das stimmt so nicht.