Der Bund prüft derzeit, wie die Zahl der Organspenden in der Schweiz erhöht werden könnte. Bis Ende Jahr will der Bundesrat einen Bericht vorlegen. Wie die Bevölkerung darüber denkt, möchte die Krankenkasse Assura herausfinden – mit einer umstrittenen Umfrage.
Heute dürfen Organe nur entnommen werden, wenn die betroffene Person zu Lebzeiten zugestimmt hat oder wenn die Angehörigen es erlauben. Zur Debatte steht, dies zu ändern und die sogenannte Widerspruchsregelung einzuführen: Wer sich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich gegen eine Organspende ausspricht, stellt seine Organe zur Verfügung.
Die Krankenkasse Assura befürwortet eine solche Regelung. Mit einer Umfrage bei ihren Versicherten möchte sie die politischen Entscheidungsträger von einer Gesetzesänderung überzeugen, wie sie Ende Juli mitteilte.
Kritik des Datenschützers
Die Umfrage stösst jedoch auf Kritik. Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte, Hanspeter Thür, erachtet vor allem als problematisch, dass die Daten von einer US-Firma ausgewertet werden, wie er am Donnerstag gegenüber Radio DRS sagte.
Nach schweizerischem Recht dürften solche Datenlieferungen nur in Länder erfolgen, die einen vergleichbaren Datenschutz hätten, sagte Thür im Radiobeitrag. „Die Vereinigten Staaten haben dies nicht, das heisst, man weiss nicht, was mit diesen Daten gemacht wird.“
Teilnahme freiwillig
Die Assura will die Umfrage dennoch fortführen. Der Datenschützer habe sich bisher nicht bei der Versicherung gemeldet, sagte Assura-Sprecher Xavier Studer auf Anfrage. „Für den Moment ändert sich nichts.“ Aus Sicht der Assura sei die Umfrage unproblematisch. Die Teilnahme sei freiwillig, und der Zweck werde klar erläutert.
Keine Probleme sieht auch das Bundesamt für Gesundheit. Die Assura sei frei, eine solche Umfrage durchzuführen, hält es fest. Allerdings müsse sie dabei klar darstellen, dass dies in Eigenregie geschehe.
Keine Kontrollfrage
Die Assura fragt die Versicherten in der Umfrage, wie sie sich zu einer Gesetzesänderung stellen. „Beantragen Sie, dass das Schweizer Gesetz in dem Sinne geändert wird, dass die Einwilligung des Organspenders bei seinem Todesfall vorausgesetzt wird?“, lautet eine Frage. Dies würde bedeuten, dass jemand sich zu Lebzeiten explizit gegen eine Organspende aussprechen müsste, wenn er seine Organe nicht spenden möchte.
Die Versicherten können Ja oder Nein ankreuzen. Eine Kontrollfrage stellt Assura nicht. Sie will von den Versicherten also nicht wissen, ob sie daran festhalten möchten, dass eine Organentnahme nur möglich ist, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten zugestimmt hat oder seine Angehörigen zustimmen.
Bundesrat zweifelt
Das Problem des Organmangels beschäftigt auch die eidgenössischen Räte. Der Bundesrat zeigte sich in seinen Antworten auf Vorstösse aus dem Parlament bereit, Massnahmen zu prüfen, unter anderem auch die Widerspruchsregelung. Er zeigte sich allerdings skeptisch: Neuste Studien zeigten, dass die unterschiedlichen Spende-Raten in verschiedenen Ländern nicht mit der Widerspruchslösung erklärt werden könnten, hielt er fest.
Der Bundesrat will seine Vorschläge bis Ende Jahr vorlegen. Vor den Sommerferien hatte er bereits kleinere Änderungen beschlossen. So will er im Gesetz verankern, dass die Anfrage an die Angehörigen und deren Zustimmung zur Organentnahme erfolgen kann, nachdem entschieden worden ist, die lebenserhaltenden Massnahmen abzubrechen – also bereits vor dem Tod.