Der SC Bern ist zum 15. Mal Schweizer Meister! Der letzte Schritt zur erfolgreichen Titelverteidigung ist ein überragendes 5:1 beim EV Zug. Die Serie entscheidet der SCB mit 4:2 für sich.
Innerhalb von vier Tagen beseitigte der SC Bern die letzten Zweifel, die nach dem vorübergehenden Zuger Comeback zum 2:2 im Final aufgekommen waren. Mit 11:2 Toren fertigte der Favorit den in den letzten 120 Minuten der Saison überforderten Kontrahenten ab. Der Traum vom zweiten Titelgewinn seit 1998 geht für die Zuger weiter; er ist mittlerweile 154 Playoff-Partien lang.
Nach 22 Minuten geschlagen
Nach der 1:6-Demütigung in Bern waren sich die Zuger Verlierer in der Analyse einig gewesen: «Einer Mannschaft wie Bern darf niemand Luft und Raum geben, um sich zu entfalten.» Der EVZ hatte deswegen in corpore den Vorsatz gefasst, wieder mehr Physis aufs Eis zu bringen. Der bullige Schwede Carl Klingberg liess sich dahingehend zitieren, sie seien «eine 20-Mann-Maschine».
Die Wirkung der Botschaften hielt nicht lange an. Innerhalb des Rinks gingen die Innerschweizer weniger dezidiert vor als auf der rhetorischen Ebene. Die Energiespeicher waren offenkundig leer, die Zuversicht, wider Erwarten eine Finalissima erzwingen zu können, schwand nach dem Gusto der knapp 7000 EVZ-Anhänger allzu schnell. «Positiv bleiben.» Mehr an Zuversicht war selbst dem unverwüstlichen Verteidiger Timo Helbling vom Stadion-Animator nach dem völlig missratenen ersten Drittel nicht mehr abzuringen.
In den ersten 22 Minuten fand der Herausforderer nicht einmal ansatzweise ein Mittel, den SCB aufzuhalten. Vier Gegentore, darunter zwei nach individuellen Aussetzern (Diaz und Stephan), und eine Flut weiterer Chancen waren das schonungslose Zwischenergebnis einer unaufhörlichen Druckwelle des auf jeder Position besser dotierten Titelhalters.
Im Zentrum der nicht zu stoppenden SCB-Offensive stand zu Beginn einmal mehr Thomas Rüfenacht. Ein erster Schuss prallte von der Latte zurück, mit der zweiten Aktion hob er die Zuger früh aus der Balance. Der einheimische Abwehrpatron Raphael Diaz liess vom Berner Frontmann nach 212 Sekunden den Puck in fahrlässiger Manier abnehmen und verschuldete den wegweisenden Fehlstart massgeblich mit.
Kein anderer Stürmer prägte die finale Serie in den wichtigen Phasen mehr als der 32-jährige Rüfenacht. Dem Schweizer mit US-Pass würde man nicht gerecht, ihn nur auf seinen zuweilen wilden Stil und seine Provokationen zu reduzieren. Der Angreifer hat an allen Fronten markant zugelegt. Mit sieben Playoff-Treffern ist Rüfenacht in den Kreis der unbestrittenen Leader aufgestiegen; ein Aufgebot für die Schweizer WM-Equipe käme nicht überraschend.
Das meisterliche Personal
Bern hat aber selbstredend deutlich mehr zu bieten als Rüfenacht. Zum Beispiel Leonardo Genoni, den mit Abstand besten Keeper der Liga. Die Nummer 1 der Schweiz ist in allen Bereichen und Linien erstklassig besetzt. In der oft kursweisenden Ausländerwahl hat das Management einmal mehr perfekt entschieden: Vom im Sommer aus der AHL in die NLA gelotsten Topskorer Mark Arcobello kamen die gewünschten Inputs. Er ist eine Bereicherung für die gesamte Schweizer Klubszene.
Und auf der Trainerposition wird der Meister von einem Strategen internationaler Prägung geführt: Kari Jalonen, vor einem Jahr WM-Finalist mit Finnland, führte den Branchenprimus zehn Monate nach seiner Ankunft in der Hauptstadt ohne den geringsten Umweg zur ersten Titel-Doublette seit den ZSC Lions vor 16 Jahren. Der nicht verschwiegene, aber primär fokussierte Finne befasste sich vom ersten Tag an seiner SCB-Ära mit jedem personellen Detail.
Im vergangenen Juni legte sich der akribische und konsequente Chef während knapp vierwöchigen Einzelgesprächen mit den Spielern ein Dossier an, das ihm sofort einen tiefen Einblick in die teaminternen Mechanismen gewährte. Entsprechend stilsicher und zielgerichtet setzte er die Meister-Mission auf gewünschter Flughöhe weiter.
Die erdrückenden Berner Zahlen und Fakten
Die Kennzahlen der SCB-Hausse sind imposant. Von den letzten 30 Playoff-Begegnungen haben die Dominatoren 24 gewonnen. Mit dem Rhythmus der führenden Hockey-Organisation kann aktuell kein Konkurrent mithalten – weder der Rekordmeister HC Davos noch die zuletzt früh gestoppten, aber finanzkräftigen ZSC Lions.
Eine Trendwende an der Spitze ist nicht absehbar. Die Mannschaft ist stabil, und die Klubleitung macht einen vorzüglichen Job. Im letzten September präsentierte CEO Marc Lüthi den Aktionären zum 17. Mal schwarze Zahlen; der Umsatz der primär im Gastrobereich weiter wachsenden SCB-Gruppe beträgt inzwischen über 56 Millionen Franken.
«Wir sind bewusst laut, die Leute müssen täglich von uns hören», erklärte Lüthi in einem SDA-Interview kurz vor dem Jahreswechsel. Fährt er mit seinem Klub im gleichen Stil fort, muss er sich keine Sorgen machen – dann wird auch die zuletzt weitgehend ratlose Konkurrenz vor allem in der «Crunch Time» von ihm hören – und leiden.
Zug – Bern 1:5 (0:2, 1:2, 0:1)
7015 Zuschauer (ausverkauft). – SR Vinnerborg/Wiegand, Kovacs/Wüst. – Tore: 4. Rüfenacht 0:1. 13. Lasch (Ebbett) 0:2. 21. (20:19) Moser (Arcobello, Blum) 0:3. 22. (21:49) Untersander (Ebbett, Arcobello/Ausschluss Alatalo) 0:4. 37. Schnyder (Diem) 1:4. 49. Ebbett (Lasch, Bodenmann) 1:5. – Strafen: 5mal 2 Minuten gegen Zug, 2mal 2 Minuten gegen Bern. – PostFinance-Topskorer: Martschini; Arcobello.
Zug: Stephan; Helbling, Grossmann; Diaz, Morant; Schlumpf, Alatalo; Erni; Klingberg, Immonen, Senteler; Martschini, Holden, Suri; Zangger, McIntyre, Lammer; Peter, Diem, Schnyder; Fohrler.
Bern: Genoni; Untersander, Blum; Jobin, Krueger; Andersson, Gerber; Kamerzin; Rüfenacht, Arcobello, Moser; Hischier, Plüss, Scherwey; Lasch, Ebbett, Bodenmann; Berger, Gagnon, Müller; Randegger.
Bemerkungen: Zug ohne Lüthi, Järvinen, Markkanen und Bader, Bern ohne Noreau, Garnett, Reichert, Kreis, Thibaudeau, Rochow, Dubois und Meyer (alle überzählig). Lattenschuss Rüfenacht (0:15). Pfostenschuss Arcobello (31.).