Belgien geht am Freitag in Lille als Favorit in den EM-Viertelfinal gegen den Underdog Wales. Nach der Auftaktniederlage gegen Italien haben die «Roten Teufel» Fahrt aufgenommen.
Drei Siege und 8:0 Tore lautet die Bilanz Belgiens aus den letzten drei Spielen. «Nun wollen wir in den Final», sagte Mittelfeldstar Kevin de Bruyne. Die hoch talentierte «Goldene Generation» um De Bruyne und Captain Eden Hazard soll in Frankreich aus dem Schatten des Teams um Jean-Marie Pfaff und Jan Ceulemans treten, die an der EM 1980 den bislang einzigen Final Belgiens an einem grossen Turnier erreicht haben. In Lille, das nur rund 20 Kilometer von der belgischen Grenze entfernt liegt, werden am Freitag 150’000 Belgier zur schwarz-gelb-roten Party erwartet.
Vor dem Aufeinandertreffen mit Wales plagen Coach Marc Wilmots allerdings Personalsorgen in der Verteidigung. Neben dem gesperrten Thomas Vermaelen fällt nun auch Jan Vertonghen aus. Der Aussenverteidiger zog sich im Training eine Knöchelverletzung zu und fällt sechs bis acht Wochen aus. Die Situation in der Abwehr spitzt sich damit weiter zu, nachdem Vincent Kompany bereits vor dem Turnier Forfait erklärt hatte. Anstelle von Vertonghen und Vermaelen dürften Jason Denayer und Jordan Lukaku zum Zug kommen.
Positive Nachrichten gibt es immerhin von Eden Hazard. Der bislang überragende Individualist der Belgier scheint sich von seiner Adduktorenverletzung rechtzeitig erholt zu haben und meldete am Donnerstag, er sei fit. Für den 25-Jährigen ist die Rückkehr nach Lille eine besondere, hat er doch von 2007 bis 2012 dort gespielt.
Neben den Verletzungen sorgten auch Michy Batshuayi und Thomas Meunier für Gesprächsstoff, verliessen sie doch zwischenzeitlich das belgische Camp, um die persönliche Zukunft zu regeln. Batshuayi, der Stürmer von Olympique Marseille, der beim 4:0 gegen Ungarn nach seiner Einwechslung das 2:0 erzielte, wechselt zu Chelsea, Meunier steht vor einem Transfer zu Paris Saint-Germain. Trainer Marc Wilmots sah durch die Absenzen die Vorbereitung auf das Spiel gegen Wales nicht gestört. Er sei stolz auf die Jungs, liess der frühere Profi verlauten.
Seit Beginn der EM liefert sich Wilmots einen verbalen Schlagabtausch mit den einheimischen Medien. Die nach dem 0:2 harsche Kritik am Trainer hat sich inzwischen zwar etwas gelegt, der Erfolg der «Roten Teufel» wird aber in erster Linie dem Talent und der Genialität der Mannschaft zugesprochen – und nicht den taktischen Schachzügen Wilmots‘. Beobachter glauben, dass dieser trotz weiterlaufenden Vertrags nach der EM sein Amt niederlegen wird – unabhängig vom Ausgang des Turniers.
Sorgenfreie Waliser
Keine Sorgen kennt Aussenseiter Wales vor dem wichtigsten Spiel der Geschichte seit dem WM-Viertelfinal 1958 gegen Brasilien. Der EM-Neuling um Superstar Gareth Bale steht nicht unter Zugzwang, hat er doch die Erwartungen bereits übertroffen und ist als letztes britisches Team noch im Turnier dabei. «Darauf sind wir stolz», sagte Bale. Wales qualifizierte sich überraschend als Gruppensieger für die K.o.-Phase, stiess mit dem 1:0 gegen Nordirland im qualitativ schwächsten Achtelfinal aber glückhaft in die Runde der letzten acht vor. «Schlecht zu spielen und trotzdem zu gewinnen, ist ein gutes Zeichen», so Bale, mit drei Treffern der walisische Top-Torschütze.
Die Waliser sind im Wissen nach Lille gefahren, Belgien bereits besiegt zu haben. Der 1:0-Sieg in der Qualifikation gegen die Weltnummer 2 sei ein Wendepunkt gewesen, sagte Bale. «Er hat uns auf das nächst höhere Level gebracht.» Verantwortlich für diesen Aufstieg sei Trainer Chris Coleman. Dieser habe dem Team den Stempel aufgedrückt. «Jeder weiss genau, was er auf dem Feld zu tun hat», so Bale. Der ehemalige Profi Coleman hatte 2012 die Nachfolge des verstorbenen Gary Speed angetreten und einen schwierigen Start verzeichnet. Nach einer Niederlagenserie zum Auftakt spielte er bereits mit dem Gedanken, den Job wieder hinzuschmeissen. Nun kann Coleman am Freitag walisische Fussball-Geschichte schreiben.