Der grosse Ausverkauf

Es kriselt in der Basler Lädeli-Szene. Warum schaffen es die einen? Und warum sterben die anderen?

Leben oder sterben – Die Lädeli in Basel sind unter Druck, nicht allen gelingt es, dem standzuhalten.

(Bild: Nils Fisch)

Es kriselt in der Basler Lädeli-Szene. Warum schaffen es die einen? Und warum sterben die anderen?

Volle Strassen, volle Geschäfte, volle Einkaufstüten – wer sich am ersten Sonntagsverkauf in diesem Jahr in die Innenstadt von Basel gewagt hat, konnte kaum auf den Gedanken kommen, dass es hier irgendeinem Laden schlecht gehen könnte. Das Geschäft brummt, doch zwischen den grellen «Sale»-, «Ausverkauf»- und «Prozent»-Schildern hängen dieser Tage auch weniger gute Nachrichten in den Schaufenstern: «Totalliquidation», «Räumungsverkauf», «Umgezogen». Das Lädelisterben geht auch mitten in der hektischen Einkaufszeit des Jahres unvermindert weiter.

Die Liste der kleinen oder zumindest unabhängigen Geschäfte, die ihre Türen in der Innenstadt im laufenden Jahr schliessen oder bereits schliessen mussten, ist lang: Der Schuhladen Pompes Funèbres am Ringgässlein, das Blumengeschäft La Rose an der Stänzlergasse, der Kleiderladen New Generation Box am Pfluggässlein, der Handschuhladen Friedli an der Eisengasse, der Snow- und Surfshop Down Town an der gleichen Strasse, das Blumengeschäft Baumeler am Rheinsprung, das Haushaltswaren-Geschäft Füglistaller an der Freien Strasse, der Kleiderladen Disegno an der Bäumleingasse. Das regionale Outdoor-Bekleidungsgeschäft Tom Bergstein an der Gerbergasse musste schliesslich gleich alle Filialen in der Schweiz schliessen – Konkurs.

Erweitert man die Liste um jene Geschäfte, die ihren ursprünglichen Sitz oder Standort in der Innenstadt aufgeben mussten, kommen weitere dazu: der Hemdladen André an der Streitgasse, der Kleiderladen Naked an der Hutgasse, der Schuhladen Schritt für Schritt an der Gerbergasse, das Kleidergeschäft First Blue, das die Filiale gegenüber der Hauptpost geschlossen hat – und das ist keine abschliessende Liste.

Innerhalb von zehn Jahren musste jeder achte Laden schliessen.

Wie viele Geschäfte tatsächlich für immer geschlossen haben und wie viele weggezogen sind, darüber gibt es keine Informationen: nicht beim Amt für Wirtschaft, nicht beim Statistischen Amt, nicht beim Verein Pro Innerstadt Basel und auch nicht beim Gewerbeverband. Vielleicht ist der Aufwand zu gross, vielleicht die Erkenntnis zu bitter, vielleicht gibt es die Zahlen aber auch, doch man behält sie lieber für sich. Sicher ist: 1998 gab es in Basel 667 Geschäfte in der Innenstadt, zehn Jahre später waren es 587. Das heisst, jeder achte Laden musste schliessen. Die Zahlen stammen aus dem Retail Outlook 2012, einer Studie der Crédit Suisse über die Innenstädte der sechs grössten Städte der Schweiz. Neuere Zahlen kann auch die CS nicht liefern, weil das Bundesamt für Statistik die Zählart gewechselt hat.

Pro Innerstadt sieht keine Probleme

An der «Realität des Lädelisterbens» (Zitat CS-Studie) dürfte sich allerdings nichts geändert haben, dafür liefen die vergangenen drei Jahre für den Detailhandel zu schlecht und dafür wird der subjektive Eindruck von zu vielen lokalen Händlern geteilt.

Der Verein Pro Innerstadt Basel beobachtet die Schliessungen und Wechsel dagegen nicht mit allzu grosser Sorge. Gemäss Geschäftsführer Mathias F. Böhm sei das mehr als Zufall zu sehen denn als Tendenz. «Es ist Ende Jahr, Verträge laufen aus, es ist ein guter Zeitpunkt für einen neuen Schritt – da kommt vieles zusammen.» Es gebe für die Wechsel und Schliessungen aber auch andere Gründe.

Steigende Mieten, Preisdruck und Abwanderung der Kunden ins Internet sind die Hauptgründe für das Ladensterben.

Tatsächlich geben die Geschäftsinhaber unterschiedliche, teilweise auch persönliche Gründe an – fasst man diese zusammen, lassen sich die Probleme der kleinen Läden in Basel auf drei reduzieren: steigende Mieten, Preisdruck, Abwanderung der Kunden ins Internet.

Lionel Weitnauer gehört zu jenen, die die Reissleine gezogen haben. Der Inhaber von Domyshirt schliesst seinen Laden am Rümelinsplatz per Ende Jahr. «Es lohnt sich einfach nicht mehr, einen Laden in der Innenstadt zu mieten», sagt Weitnauer. Wobei «sagen» untertrieben ist. Er poltert, zürnt, schimpft.

«Schau dir doch das mal an: 17 Quadratmeter habe ich hier, bezahle 1690 Franken monatlich – das ist ein Lappen pro Quadratmeter.» Weitnauer steht inmitten von T-Shirts in allen Farben, das Bügeleisen für die Aufdrucke steht vor ihm, er hantiert daran, jeder Handgriff sitzt, und er wird es in Zukunft auch tun – aber nicht mehr in der Innenstadt.

Flucht ins Internet

Dank dem Internet kann er ohne fixe Öffnungszeiten sein Geschäft an irgendeinem Ort weiterbetreiben, und schlechter laufen wird es nicht, davon ist er überzeugt. Er hat allen Grund, optimistisch zu sein: Indem er die Innenstadt verlässt, reduziert er seine Fixkosten um 50 Prozent. Sein Ladenlokal an der Gerbergasse 16 übernimmt ein Imbiss, eine um 20 Prozent teurere Miete inklusive.

Allzu offen über die Mieten will kaum jemand sprechen. Nachfolge, Verträge, die Hoffnung auf einen neuen Laden – niemand will es sich mit den Liegenschaftsbesitzern verspielen. Nur wer Anonymität verspricht, erhält Informationen, die einen zum Schluss führen, dass Weitnauer noch Glück hatte mit seiner Miete. Ein Laden in der Umgebung kostet mit ein paar Quadratmetern mehr das Vierfache und ist damit noch nicht mal der teuerste.

Die hohen Mieten haben auch den Schuhladen Schritt für Schritt zum Zügeln bewegt. Inhaberin Manuela Hirt hat gemeinsam mit Vanessa del Moro, der Inhaberin vom Kleidergeschäft Naked, einen neuen Laden an der Henric-Petri-Strasse 26 bezogen.

Nach acht Jahren in der Gerbergasse 82 zwischen Brötlibar und Negishi Sushi Bar ist der Vertrag des Schritt für Schritt und der drei anderen im selben Haus eingemieteten Geschäfte ausgelaufen. «Die neue Miete konnten wir uns nicht leisten», sagt Hirt. 30 Prozent mehr als bisher verlangte der Vermieter von Tom Bergstein, der einziehen sollte. Weil dieser aber Konkurs gingt, eröffnet nun das Handygeschäft iReparatur.ch im Parterre eine zweite Filiale nach der bestehenden am Klosterberg.

Gemeinsam gehts besser

Preistreiber für die Mieten sind allerdings nicht nur die Liegenschaftsbesitzer, die immer mehr Institutionen und Investoren sind und bei denen die Rendite der Häuser im Vordergrund steht, sondern auch der Trend der internationalen Ketten zur «Vertikalisierung» des Geschäftes, wie es in der Fachsprache heisst. Setzten Markenhersteller in der Vergangenheit noch auf den Fachhandel, der ihre Ware verkaufte, stecken sie die Margen heute lieber mit Mono-Marken-Shops in den eigenen Sack. Sie verkaufen damit ihre Produkte nicht nur selbst, mit jeder neu eröffneten Filiale sinken unter dem Strich auch die Fixkosten. Hinzu kommt, was der Riese Apple zur Perfektion getrieben hat: der Laden als Showroom. Das Ladenlokal ist nicht mehr simple Verkaufsfläche, sondern Statement, Werbung und Schnittstelle zum Konsumenten.

Der Trend zur Vertikalisierung wird «markant bleiben», schreibt die CS in ihrer Studie. Aber fast noch wichtiger: «Solche Geschäfte müssen nicht unbedingt rentieren, sondern repräsentieren, und sind deshalb zwingend auf einen attraktiven Standort angewiesen.» 

Toplagen werden kaum mehr über Inserate ausgeschrieben, sondern via spezialisierte Makler vermittelt.

Noch schwankt der durchschnittliche Preis für einen Quadratmeter Verkaufsfläche in Basel gemäss CS zwischen 250 und 350 Franken, dass die Median-Mieten zuletzt «allerdings stark angestiegen sind», ist ein Fakt. Die Median-Miete beschreibt jenen Mittelwert, bei dem die Hälfte der Mieten darunter und die andere Hälfte darüber liegt. In die Erhebung der Zahlen flossen ausschliesslich die öffentlich ausgeschriebenen Mieten von «eher konventionelle Standorten», wie die CS hervorhebt: «Toplagen in der Innenstadt werden kaum über Inserate ausgeschrieben, sondern via spezialisierte Makler vermittelt.» Das heisst im Klartext, dass die Flächen an der Freien Strasse in Basel angesichts der wahrscheinlichen Preise in weite Ferne von jedem Kleingewerbler gerückt sind, der seine Miete mit dem Laden verdienen muss.

Nachfrage nach Lokalen bleibt hoch

Der Nachfrage nach Verkaufsflächen in der Innenstadt hat dies keinen Abbruch getan. «Pro Innenstadt Basel» hatte im laufenden Jahr rund 40 realistische Anfragen für Ladenflächen. Knapp die Hälfte davon seien «Einzelmasken mit Geschäftsideen» gewesen, die sich beraten liessen. Ein Viertel seien mittlere Unternehmen auf Suche nach Liegenschaften gewesen und ein weiteres Viertel grosse Unternehmen. «Die Nachfrage nach Ladenfläche in Basel besteht noch immer, und zwar in sehr vielfältiger Art und Weise», folgert Böhm.

Die Frage bleibt dennoch, ob die kleinen Läden zum Zuge kommen. Pro Innerstadt Basel versprach bereits im Sommer 2012, sich dafür einzusetzen, dass die Innenstadt nicht nur von internationalen Ketten dominiert wird. Sie hat Gespräche angekündigt mit den verbliebenen Basler Eigentümern von Liegenschaften. Werden Ladenflächen frei, will der Verein neue Mieter vorschlagen.

Ladenlokal versteigert

«Das direkte Ergebnis lässt sich aber schlecht messen», sagt Böhm. Während Gespräche laufen, steigen die Mieten weiter. Denn der Verlockung hoher Mieten verfallen auch private Liegenschaftsbesitzer. Am Spalenberg etwa hat ein Hausbesitzer sein 50 Quadratmeter grosses Ladenlokal versteigert. Wer mehr Miete bietet, zieht ein.

Das Problem ist allerdings, danach die Miete zu erwirtschaften. Obwohl der Einkaufstourismus nach ersten Berichten 2013 zumindest nicht gestiegen ist und nach Auskunft der lokalen Händlern auch spürbar nachgelassen hat, bleibt der Preisdruck gross. Ob man Andi Schwarz vom Traditionsunternehmen Schwarz Mode, François Spira vom gleichnamigen Modegeschäft an der Freien Strasse oder auch Manuel Rieder vom Modelabel Tarzan fragt, sie alle sind sich einig: «Die goldenen Zeiten im Detailhandel sind vorbei.»

Gute Geschäftsideen und Flexibilität sind oft die Rettung.

Müsste er heute anfangen, würde Rieder keinen eigenen Laden mehr eröffnen. Der Geschäftsführer von Tarzan hat gemeinsam mit Caeser von Däniken vor zwölf Jahren in einem Hinterhof an der Güterstrasse im Gundeli sein eigenes Modelabel gegründet. «Wir hatten Glück, dass wir mit unseren bedruckten T-Shirts den Nerv der Zeit trafen.» Die Kombination aus Bio-Baumwoll-Shirts und Schweizer Design habe eingeschlagen – nicht nur in der Schweiz. An über 30 Geschäfte in Europa lieferte Tarzan seine Produkte, ein Namensstreit band sie allerdings vor fünf Jahren aus dem Auslandgeschäft zurück.

Die ursprüngliche Idee, mit einem neuen Namen auf dem europäischen Markt zu bleiben, wurde nun aber begraben. «Experimente liegen nicht mehr drin», sagt Rieder. Die Konkurrenz sei auch in ihrem Segment gewachsen. «Wir können zum Beispiel nicht mit dänischen Designern mithalten, die acht Kollektionen pro Jahr auf den Markt werfen.» Weil sie aber genau so produzieren, wie das Tarzan würde, haben sie die Konkurrenz mit an Bord genommen.

Die Grossen profitieren

Den Konkurrenzdruck spürt auch François Spira. Seit über 100 Jahren ist die Familie im Textilbusiness, einst als Stoffhändler, heute als Betreiber eines Modegeschäfts – und immer an der Freien Strasse. Auf der Verkaufsfläche, die die Spiras haben, würde eine internationale Kette sechs Angestellte beschäftigen. Spira hat 22 Leute auf seiner Lohnliste. «Wir machen vom Einkauf über die Werbung bis zur Dekoration der Schaufenster alles selber, die Grossen machen das zentral – für alle Filialen.» Textilketten profitieren von weiteren Vorteilen: Je mehr eingekauft und produziert wird, desto tiefer sind die Kosten. Das spart Geld und ermöglicht den Grossen, mit günstigeren Preise in den Markt zu gehen.

Ganz auf Läden – und die damit verbundenen Fixkosten – verzichten Online-Versandhändler. Zalando und Co. bedrohen nicht nur die Kleinen, sondern auch die grossen internationalen Ketten. Der Onlinehandel wird dieses Jahr erstmals die Schwelle von 6 Milliarden Franken Umsatz überschreiten, meldete die «NZZ am Sonntag». Nicht nur die Kunden von Zalando schreien wie in der Werbung, sondern auch die Konkurrenz angesichts der Wachstumszahlen des Unternehmens: innerhalb von einem Jahr stieg der Umsatz von 510 Millionen Euro (2011) auf 1,15 Milliarden Euro (2012). Aber selbst dieser Umsatz hat gemäss dem deutschen «Manager Magazin» dem Unternehmen unter dem Strich keinen Gewinn beschert. Bisher.

Nische als Erfolgsfaktor

Gibt es angesichts der Probleme und Entwicklungen also wirklich keine Chancen mehr für die kleinen Geschäfte in der Basler Innenstadt?

«Ein Erfolgsfaktor ist die Nische», sagt Manuel Rieder. Diese war und ist das Geheimnis von Tarzan. «Wir haben zu Beginn, ja nicht viel mehr gemacht, als trendige Bilder auf Bio-Baumwoll-Tshirts zu drucken und zu sticken.» Die Kombination von «Bio» und Schweizer Fertigung habe ein Zielpublikum gefunden. Individualität, Swissness und Nachhaltigkeit trafen vor zwölf Jahren den Nerv der Zeit, es ging stetig bergauf bis auf den oberen Spalenberg, wo sie 2011 einen Laden eröffneten.

Um eine Nische zu besetzen, braucht es Glück und die Überzeugung, dass das eigene Bedürfnis auch von anderen geteilt wird.

Nun sind Rieder und von Däniken auf der Suche nach einem Ladenlokal in Luzern, um nach Zürich auch in die Innerschweiz zu expandieren. Weil sie ihre Ware selber produzieren, haben sie den Vorteil, dass sie sich dem Druck von Sales und Pre-Sales entziehen können.

Um eine Nische zu besetzen, braucht es Glück und die Überzeugung, dass das eigene Bedürfnis auch von anderen geteilt wird. In der Basler  Innenstadt haben innerhalb von einem Jahr gleich mehrere Kinderkleiderläden ihre Türen geöffnet, sie alle haben etwas gemeinsam: Hinter der Idee stehen Mütter oder Familien, die in Basel «kindergerechte, fröhliche, farbige Kleider» vermissten und nicht die üblichen Accessoires. Sie erkannten nicht nur das Bedürfnis, sondern profitieren – wie auch die vier Spielwarenläden – vom Kinderboom und dem Trend, das Kind als Accessoire zu sehen. Wenn sie sich dann noch so ergänzen wie «Toi et moi» (hauptsächlich Kleider) und «Dreikäsehoch» (hauptsächlich Zubehör) am Spalenberg, steht auch einem Wachstum nichts entgegen, wie «Dreikäsehoch» beweist. Der Laden eröffnete erst kürzlich eine zweite Filiale ein paar Meter weiter den Spalenberg hinab.

Der Kunde ist König

Wer einmal eine Nische hat, der muss dann nur tun, was ein gutes Geschäft seit Jahrhunderten ausmacht: die Stammkundschaft pflegen. «Es mag abgedroschen klingen», sagt François Spira, «aber der Gast muss König sein.» Während die grossen Kleidergeschäfte eigentlich Selbstbedienungsläden seien, stehe bei ihnen der Dialog mit und das Feingefühl für die Gäste im Vordergrund. «Wir verkaufen nicht nur Kleider, sondern modischen Zeitgeist.»

Dass Spira dabei nicht von Kunden, sondern von Gästen spricht, ist kein Zufall. Für ihn muss der Einkauf ein Erlebnis sein. «Als wir unser Café im Laden eröffnet haben, hat die Konkurrenz gelacht und uns ein Jahr gegeben», sagt Spira. Inzwischen sind fast 20 Jahre vergangen, und der Espresso am Tresen gehört für viele Kunden zum Einkauf.

Einzigartigkeit als Strategie

Ein Erlebnis anderer Art verkauft Erika Ottenburg. Sie hat viele Läden kommen und gehen sehen, die Messerschmiede von ihrem Mann und ihr ist geblieben. Seit über 200 Jahren gehen am Spalenberg 33 Scheren und Messer über die Theke. Es ist der älteste Laden seiner Art in der Schweiz, und ihrer Kundschaft ist kein Weg zu weit, um sich im historischen Laden mit Geschenken für die Liebsten oder Gebrauchsgegenständen einzudecken: Sie fahren nicht nur aus dem benachbarten Ausland nach Basel und der ganzen Schweiz, sondern kommen auch aus ganz Frankreich, Deutschland und teilweise auch aus Italien hierher.

Toni Ottenburg hatt das Geschäft vor 55 Jahren übernommen, inzwischen schmiedet er nicht mehr und das Erlebnis ist nicht mehr das Hämmern im hinteren Teil des Ladens, sondern die Geschichte. Das Erfolgsgeheimnis der Messerschmiede ist aber nicht nur ihre Geschichte, sagt Ottenburg. «Es gehören auch Idealismus und Leidenschaft zum Produkt dazu.» Sie hätten nicht des Geldes wegen versucht, in ihrem Laden allerlei anzubieten. «Wir haben Messer und Scheren, diese Spezialisierung ist unser Erfolgsgeheimnis.» Und die Passion für das Produkt geht so weit, dass Toni Ottenburg auch mit seinen 97 Jahren noch zur Feile greift. «Gerade erst hat er ein Sackmesser mit einem Pfaffenhutholz-Griff gemacht.»

Wer rasch handelt, gewinnt

Ein dritter Erfolgsfaktor neben der Nische und dem Erlebnis für den Kunden ist die Flexibilität. Während die grossen Ketten wie riesige Tanker auf dem Meer den Kurs nur langsam verändern können, haben die unabhängigen Geschäfte die Möglichkeit, auf Entwicklungen und Trends schneller zu reagieren. Beispiele gibt es dafür gute: Tarzan nutzt spontan gemeinsam mit Zooloose den Laden des geschlossenen Textilgeschäfts Box am Pfluggässlein, die Verkaufseinrichtung liefert ein weiteres Unternehmen. Für alle drei Geschäfte ist es eine Chance, Ware zu verkaufen und neue Kunden zu gewinnen.

Die Flexibilität ist auch Erfolgsstrategie beim Spira. Während grosse Ketten acht Monate im Voraus ihre Sortimente für diejeweilige Saison planen, nutzt François Spira die kurzen Vorlaufzeiten, um auch mitten in der Saison täglich neue Winterprodukte ins Sortiment aufzunehmen. Mit dieser Strategie gelang es ihm in diesem Jahr trotz des schwierigen Umfelds, den Umsatz sogar zu steigern.

Flexibel bleiben heisst aber nicht stehen bleiben und bloss reagieren, wie etwa der Hutladen Schwarz. Als immer mehr Kindergeschäfte eröffneten, machte Geschäftsführer Andi Schwarz das Beste daraus: Er gab eine Kinderhut-Kollektion in Auftrag und baute das Angebot aus. «Wenn schon so viele Kinderwagen den Berg hinauf- und herunterfahren, warum nicht auch diesen Kunden etwas anbieten?»

Viele Kunden sind nur wohlwollend und nostalgisch bis zum nächsten Einkauf.

Sich stetig anpassen und flexibel bleiben – das bedeutet viel Arbeit. Es braucht viel Begeisterung, Leidenschaft und Kraft. Und letztlich entscheiden die Kunden, ob es sich lohnt. Und leider sieht es da nicht gut aus. Der Aufschrei ist zwar immer gross in Basel, wenn ein kleiner Laden schliessen muss wie etwa kürzlich der Buchladen Nasobem im Gundeli. Aber allzu viele Kunden sind nur wohlwollend und nostalgisch bis zum nächsten Einkauf: dann gehen sie wieder in den günstigeren oder zumindest in den näheren Laden. Ganz profan.

Die Innenstadt von Basel wird sich deshalb wohl so entwickeln wie viele anderen Citys: Während sich grosse Mono-Marken-Läden und Filialen an den zentralen Orten ausbreiten, werden die kleinen Geschäfte immer weiter nach aussen oder gleich ganz ins Aus gedrängt. Zum «Labor für innovative Ladenformate» werden immer mehr die Aussenquartiere, schreibt die CS in ihrer Studie.

Geteilte Kosten

Diesen Trend haben Manuela Hirt vom Schuhgeschäft Schritt für Schritt und Vanessa del Moral vom Kleiderladen Naked vorweggenommen: Sie haben ihre Geschäfte von der Gerbergasse und der Hutgasse an die Henric-Petri-Strasse in die Nähe des Aeschenplatzes verlagert. Und die beiden setzen dabei auf einen weiteren Erfolgsfaktor: die Zusammenarbeit. Die beiden Geschäfte profitieren nicht nur davon, dass sie sich die Kosten teilen, sondern auch, dass beide ihre Stammkundschaft mitbringen. In einem Laden, der nun zwei sich ergänzende Produkte anbietet.

Zwei unabhängige Läden in einem sind für Kundinnen und Kunden ein gutes Argument für den Weg an die Aeschenvorstadt, glaubt Hirt: «Wenn die Geschäfte zusammenhalten und zusammenarbeiten, ist das für alle ein Gewinn.» Ein Lösungsansatz, den auch die CS in ihrer Studie empfiehlt und der auch erkannt wurde, wie die CS in Anlehnung an diverse Gespräche mit Branchenvertretern nun ein Jahr später schreibt: «An konkreten Lösungen mangelt es aber nach wie vor.» Leider.

Ist Basels Innenstadt überhaupt noch attraktiv für Shopping? Diskutieren Sie mit bei unserer Wochendebatte!

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