Der nächste US-Vize ist Katholik

Vor kurzem höre ich im Radio, egal, wer die Wahl gewinne, eines stünde bereits fest: der nächste Vizepräsident der USA wird ein Katholik sein. Und so frage ich mich, ist das so wichtig? Religion bestimmt hier das politische Leben mehr, als man als Europäer denkt – und als mir persönlich lieb ist. Potentielle Kandidaten werden […]

Joe Biden, links, und der republikanische Vize-Präsidentschaftskandidat Paul Ryan.

Vor kurzem höre ich im Radio, egal, wer die Wahl gewinne, eines stünde bereits fest: der nächste Vizepräsident der USA wird ein Katholik sein. Und so frage ich mich, ist das so wichtig?

Religion bestimmt hier das politische Leben mehr, als man als Europäer denkt – und als mir persönlich lieb ist. Potentielle Kandidaten werden auf ihre Religion abgeklopft, und wenn es auch kein Problem mehr ist, nicht einer der vielen protestantischen Glaubensrichtungen anzuhängen (man denke hier an John F. Kennedy), ist es doch wichtig, irgendwie zeigen zu können, daß man einer (christlichen) Kirche angehört. Obama hat vor vier Jahren ja auch alles getan, um seine christliche Religionszugehörgkeit zu untermauern.

So ist es auch nicht verwunderlich, daß vor kurzem auf NPR («National Public Radio») ein Beitrag gesendet wird, der nächste Vizepräsident sei auf jeden Fall Katholik, und wie ihr Glaube jeweils Joe Biden und Paul Ryan beeinflusse. Meine erste Reaktion: „Who cares?“ Aber dann entschließe ich mich, doch ein paar Bekannte zu fragen, von denen ich weiß, daß sie ihren Glauben ernst nehmen.

Und ich steche bewußt in ein Wespennest, denn Politik diskutiert man hier privat nicht gerne.

Eine der Befragten schickt mir auf Facebook prompt eine private Nachricht, ob ich sie nicht aus dem Dialog entfernen könne, sie mische sich in solche Gespräche nicht ein. Die anderen entspinnen eine Diskussion, die so gar nicht mit Biden und Ryan speziell zu tun hat, sondern eher mit der allgemeinen politischen Lage.

Der Konsensus ist, daß Religiosität und Politik hier zwischenzeitlich zu sehr verwoben seien, obwohl das Land die Trennung von Kirche und Staat verfassungsmäßig festgelegt hat. Weiterhin, daß der Staat zu viele Funktionen, die früher nur der Kirche zukamen, übernommen habe – etwa Armenhilfe und Wohlfahrt – und daß sich zu viele Politiker auf die Bibel beriefen, nur um Minderheiten zu unterdrücken.

Ich bin gleichermaßen erstaunt und fasziniert, denn alle diese Aussagen kommen von Leuten, die ich bisher als ziemlich konservativ erlebt habe. Wieder einmal denke ich, wie schade es ist, daß wir nur zwei Parteien haben, die sich bei Wahlen die Klinke in die Hand geben. Es wäre Raum für so viel mehr Vielfalt, wenn man das System reformierte…

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