Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und die EU-Finanzminister haben in Luxemburg eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet. Die Schweiz wird fünf von der EU kritisierte Steuerregime für Unternehmen abschaffen. Damit geht ein rund zehnjähriger Streit zu Ende.
Im Gegenzug hätten die EU-Staaten zugesagt, auf Gegenmassnahmen zu verzichten, sagte die Finanzministerin am Dienstag am Rande des EU-Finanzministertreffens. Ausserdem konnte so wieder Rechtssicherheit und somit Planungssicherheit für Unternehmen geschaffen werden.
«Es ermöglicht uns nun, uns auf andere Fragen und Dossiers zu konzentrieren.» Dabei erwähnte Widmer-Schlumpf auch den Marktzutritt für Banken und Versicherungen. Wichtig sei nun aber, dass «alle nach den gleichen Spielregeln spielen», sagte die Finanzministerin weiter. Dafür wolle sich die Schweiz einsetzten. Dabei dürfte sie auch die so genannten Lizenzboxen im Auge haben.
Denn um im internationalen Standortwettbewerb wettbewerbsfähig zu bleiben, sollen die Kantone künftig so genannte Lizenzboxen einführen können. So sieht es die vom Bundesrat kürzlich präsentierte Unternehmenssteuerreform III vor. Bei diesen Boxen werden Erträge aus der Verwertung von geistigem Eigentum privilegiert besteuert.
Einheitlicher Standard für Lizenzboxen
Doch auch diese Boxen stehen international in der Kritik. Sie habe mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble gesprochen, sagte Widmer-Schlumpf. Schäuble hatte noch im letzten Jahr diese Boxen abgelehnt, mittlerweile seine Meinung jedoch geändert.
Nicht die Lizenzboxen als solche seien das Problem, sagte Widmer-Schlumpf. «Diskutiert wird, wie offen und transparent sie sein sollen.»
Wie diese Boxen künftig ausgestaltet werden sollen, «ist eine Frage für die OECD», sagte die Bundesrätin weiter. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, an der sich auch die Schweiz beteiligt. Diese soll einen internationalen Standard bis Ende 2015 ausarbeiten.
Auch die EU nimmt zurzeit zehn dieser Boxen in neun ihrer Mitgliedstaaten unter die Lupe und will im Dezember publizieren, welche sie als «wettbewerbsverzerrend» erachtet. Widmer-Schlumpf jedenfalls gab sich optimistisch: «Man wird sich einigen.»
Sorgenkind Italien
Obwohl der Steuerstreit mit der EU nun definitiv beendet werden konnte, bleibt ein Wermutstropfen: Die EU-Staaten werden ihre Gegenmassnahmen gegen die Schweiz erst aufgeben, wenn diese ihre kritisierten Regime abgeschafft hat. So etwa figuriert die Schweiz auf einer schwarzen Liste Italiens.
Die Schweiz sei auf mehreren «schwarzen oder grauen Listen verschiedener Länder» und dies aus unterschiedlichen Gründen, sagte die Finanzministerin. Doch grösstes Sorgenkind aus Sicht der Schweiz ist der Listenvermerk Italiens, der erst kürzlich wieder für Unstimmigkeiten sorgte.
So geschehen am letzten Wochenende: Widmer-Schlumpf hatte an der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Washington mit Blick auf die offenen Steuerfragen Italien «unsere Agenda aufgezeigt und gesagt, bis wann ich eine klare Antwort haben will». Damit hatte sie jedoch den Unmut ihres italienischen Amtskollegen Pier Carlo Padoan auf sich gezogen.
Mittlerweile haben sich die Gemüter beruhigt. Selbstverständlich habe sie mit Padoan gesprochen, sagte die Bundesrätin. Man habe sich darauf geeinigt, die «Diskussionen nicht in der Öffentlichkeit fortzusetzen». Sie gab sich überzeugt, mit Italien Lösungen zu finden. Dazu gehört etwa die Vergangenheitsbewältigung von Schwarzgeldern oder die Grenzgängerproblematik.
Automatischer Informationsaustausch
Die EU-Finanzminister beschlossen ausserdem, den erweiterten automatischen Informationsaustausch ab 2017 einzuführen, was den Austausch der Steuerdaten 2016 bedeutet. Der erweiterte Standard der EU entspricht dem OECD-Standard, den auch die Schweiz einführen wird. Der Bundesrat hat bereits ein entsprechendes Mandat, um mit der EU und den EU-Mitgliedstaaten zu verhandeln.
Österreich erhielt ein Jahr länger Zeit, um den Standard einzuführen – aus technischer Gründen. Der österreichische Finanzministers Hans Jörg Schelling begründete dies damit, dass noch «keine Datenübermittlung zwischen dem Bankensektor und der Verwaltung» bestehe.
Noch am Tag zuvor hiess es, auch Luxemburg wolle mehr Zeit für die Umsetzung mit Verweis auf Drittstaaten, von denen viele den Standard erst 2018 einführen werden. Doch dann kündete das Grossherzogtum an, den Standard ebenfalls 2017 einzuführen.
Angesprochen auf die Situation der Schweiz sagte Widmer-Schlumpf: «Wir haben unsere Agenda», und verwies dabei auf den parlamentarischen Prozess sowie auf ein mögliches Referendum. Vorgesehen ist gemäss der Bundesrätin, dass die Schweiz ab 2017 Daten sammelt und ab 2018 operativ tätig wird – dies entspricht dem Zeitplans Österreich.