Der traurige Kavalier von Cleveland

Die Golden State Warriors gewinnen in der Nacht auf Mittwoch ihren vierten NBA-Titel. Der grosse Held aber spielt für den Gegner – LeBron James, der zurückgekehrte Sohn bei den Cleveland Cavaliers.

Jun 16, 2015; Cleveland, OH, USA; Golden State Warriors guard Stephen Curry (30) poses with the Larry O'Brien Trophy as Golden State Warriors guard Andre Iguodala (9) celebrates with the NBA Finals MVP trophy after beating the Cleveland Cavaliers in game six of the NBA Finals at Quicken Loans Arena. Mandatory Credit: Bob Donnan-USA TODAY Sports TPX IMAGES OF THE DAY

(Bild: Bob Donnan)

Die Golden State Warriors gewinnen in der Nacht auf Mittwoch ihren vierten NBA-Titel. Der grosse Held aber spielt für den Gegner – LeBron James, der zurückgekehrte Sohn bei den Cleveland Cavaliers.

Gerne wird im Fach- und Freundeskreis darüber gestritten, wer denn nun in einer Sportart der G.O.A.T. sei, der Greatest of all Time. Pele oder Messi? Federer oder Nadal? Schumacher oder Senna?

Beim Basketball kommt auch dem Fussball-Fan schnell der Name Michael Jordan in den Sinn. Etwas älteren Fans wahrscheinlich noch Magic Johnson und Larry Bird, den jüngeren vielleicht Kobe Bryant. Seit einigen Jahren kommt man in dieser Diskussion besonders an einem Namen aber nicht mehr vorbei: LeBron James.

Bereits zum fünftem Mal in Folge stand der 30-Jährige in diesem Jahr in der Finalserie der NBA, in der Nacht auf Mittwoch verlor er mit den Cleveland Cavaliers die Meisterschaft in Spiel sechs gegen die Golden State Warriors. Zweimal (2012 und 2013) holte er sich mit den Miami Heat den begehrten Ring. Business as usual also für den Mann aus Cleveland? Nicht ganz.

In diesem Jahr ist vieles anders. Als er 2010 ankündigte, seine «Talente von Cleveland nach South Beach zu tragen», wurde ihm das in seiner Heimatstadt stark verübelt. Zu gross waren die Hoffnungen, endlich einen Ring zu holen, jemand zu sein in der weiten Sportwelt der USA, zu flammend die Liebe für ihren LeBron aus Akron, Ohio.

Die Jahre bei den Heat brachten James weit mehr Erfolg als Sympathien ein: zweifacher NBA-Champion, mehrfacher MVP (Most Valuable Player), zweifacher Finals MVP und dickste Werbeverträge mit Nike, McDonald’s, Samsung und einigen anderen.

Kurz nach der letztjährigen Finalniederlage gegen die San Antonio Spurs schockte LeBron die us-amerikanische Sportwelt. In einem Liebesbrief an seine Heimatstadt verkündet er das Ende seiner Wanderjahre in Miami und kehrt zurück nach Cleveland, Ohio: «I’m coming home.» Die Cavaliers hatten den verlorenen Sohn wieder in ihren Reihen, gereift, ohne Stirnband und mit etwas weniger Allüren – allerdings nicht ganz ohne:

Moralisch hat James damit nicht nur die Liebe der Menschen in Cleveland zurückgewonnen. Weit über die Bundesstaatsgrenzen von Ohio hinaus wurde dem Forward viel Glaubwürdigkeit und Integrität attestiert. Sportlich hingegen sah die Sache etwas schwieriger aus. Vom Dauer-Finalisten wechselte LeBron zu einem Team am untersten Rand der Mittelmässigkeit. Selbst im schwachen Osten waren die Cavaliers nicht in Reichweite eines Playoff-Platzes.

Das Team um LeBron

Die Macher der Cavaliers haben ihre Hausaufgaben aber gemacht und um LeBron herum ein Team aufgebaut, das zu allem fähig sein sollte. Doch schon früh in der Saison verletzte sich der brasilianische Center Anderson Varejão. Im Laufe der Playoffs schlossen sich James‘ wichtigste Helfer (Kevin Love, Kyrie Irving) der Verletztenliste an.

Ein kurzer Schweizer Exkurs an dieser Stelle:

Im Konjunktiv hat nicht viel gefehlt zur grossen Schweizer Sensation. Hätten sich in den Halbfinalspielen die Atlanta Hawks und die Houston Rockets durchgesetzt (und hätte der New Yorker Polizist Sefolosha nicht das Wadenbein gebrochen!), dann hätten sich mit Thabo Sefolosha und Clint Capela zwei Schweizer in den Finals gegenübergestanden. Aber auch im Indikativ war die Saison für die beiden Schweizer Söldner mehr als erfreulich. Besonders für den Rookie Capela, der zu Beginn der Saison kaum Vertrauen von seinem Trainer bekam und zum Schluss in den Playoffs aber zu einem wichtigen Glied der Rockets wurde, war die Saison ein grosser Erfolg.

Für Lebron James war die Herkules-Aufgabe angerichtet: Er sollte quasi alleine in einer Best-Of-Seven-Serie vier Spiele gegen die Golden State Warriors gewinnen, das beste Team der vergangenen Saison. Gegen Stephen Curry, den aktuellen MVP, der Dreipunkte-Würfe macht als wären es einfache Korbleger. Gegen Klay Thompson, der im Januar dieses Jahres in einem Spiel 37 Punkte in nur einem Viertel erzielte.

 

Gegen ein Team also, das bis tief in die Ersatzbank ausgeglichen ist. Es sollte ihm nicht gelingen.



Jun 16, 2015; Cleveland, OH, USA; Cleveland Cavaliers forward LeBron James (23) walks off the court after loosing to the Golden State Warriors in game six of the NBA Finals at Quicken Loans Arena. Mandatory Credit: Bob Donnan-USA TODAY Sports

Traurig, kaputt und doch rekordverdächtig: LeBron James nach dem letzten Spiel. (Bild: Bob Donnan)

Die Art und Weise des Scheiterns war aber bemerkenswert. LeBron war für nahezu alles verantwortlich, was die Cavaliers offensiv zustande brachten. Seine Final-Statistiken sind mehr als bemerkenswert: 36,6 Punkte, 12,4 Rebounds und 8,4 Assists pro Spiel. Fast ein Tripple Double also im Durchschnitt.

Um solche Zahlen zu finden, muss man in den Geschichtsbüchern der NBA sehr weit zurückblättern – sogar hinter das Kapitel Michael Jordan.

Und so bleibt die Frage nach dem G.O.A.T. bei den Basketballern wohl noch bis auf weiteres ungeklärt. Golden State Warriors hin oder her.

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