Ein halbes Jahr nach Wien ist am Donnerstag auch Basel in den Genuss der Urinszenierung von Ewald Palmetshofers Version von Christopher Marlows «Edward II.» gekommen. Das Publikum war von Nora Schlockers Regie recht angetan.
Die Bühne ist aus Kupferblech. Dreistufig, so dass immer sichtbar ist, wer in diesem Machtspiel gerade die Oberhand hat. Ganz oben von Kopf bis Zeh in Gold König Edward II, unten die schwarzen Peers mit ihren weissen Halskrausen und der Bischof im weibischen Reifrock. Noch im Boden versenkt wartet die Kloake, in welcher der schwule König Edward II. auf obzönste Weise das Zeitliche segnen wird.
Sein Untergang ist vorgezeichnet: Denn Edward ist nicht nur mannstoll, er erhebt seinen Gespielen, den Metzgerssohn Gaveston, sehr zum Unmut der untergebenen Lords auf seine Stufe. Das eigentliche Skandalon ist dabei weniger Edwards sexuelle Orientierung, als die Weigerung, eine regulierende Instanz – traditionell Gott – über sich zu akzeptieren.
Die Liebe ersetzt Gott, der Geliebte den Priester
«Allein nur vor der Liebe, diesem Gott, der keiner ist, vor dem will niederfallen ich», sagt er, «dies Sakrament, für einen Menschen König heilig, gibt zu fühlen mir mein Priester Gaveston». Die Staatsräson opfert er der Erotik, statt «l’état c’est moi» gilt «Die Liebe bin ich», so der Untertitel des Stücks.
Das vernachlässigte Königreich wird «wie eine Frau im Wochenbett ausgeblutet». Angeblich um den Staat zu retten, fahren die Peers und der Bischof immer stärkere Geschütze gegen Edward auf. Als ein Papstbrief nichts bewirkt, wird Gaveston beseitigt und schliesslich auch Edward.
Körpersäfte
Im Verlauf des Abends beschmutzen Blut, Kot und Urin die goldenen und reinweissen Gewänder der Royals und ihrer Günstlinge. Sehr drastisch ist das dennoch nicht. Regisseurin Nora Schlocker verzichtet immer dann, wenn’s schockierend werden könnte, auf optische Umsetzung und lässt die Sprache wirken. Ein homoerotischer Liebesakt wird ebenso wie Edwards grausamer Tod nur erzählt.
Zur Entschärfung trägt zudem das Groteske bei. Die Kostüme sind eine Mixtur aus historischen Vorbildern und Guggenmusik-Chic und die goldenen Shorts der Lustknaben sehen aus wie Windeln.
Bewundernswert geschmeidig
Palmetshofers Sprache amalgamiert auf bewundernswerte Weise Alt und Neu: Obwohl streng im jambischen Versmass (pa-bamm/pa-bamm), wirken die Reden natürlich, wenn auch mit einer leicht noblen Patina überzogen. Dass Geschlechtsorgane und ihr Gebrauch nach heutigem Slang beim Namen genannt werden, überhört man beinahe.