Die Abstände sind historisch klein. Zwei Spieltage vor dem Saison-Kehraus kämpfen noch sechs Teams um den Klassenverbleib. Es könnte zu einem ähnlich dramatischen Schlussspurt wie 1999 kommen.
Nervenkitzel garantiert: Der Bundesliga steht der härteste Abstiegs-Showdown der Geschichte bevor. Noch nie seit Einführung der Drei-Punkte-Wertung in der Saison 1995/96 war der Abstand zwischen Platz 14 und 18 vor dem zweitletzten Spieltag so gering. Ganze zwei Punkte rangiert der Hamburger SV (32) vor dem Schlusslicht aus Stuttgart (30). Zusammen mit dem Tabellen-13. Hertha BSC (34) müssen noch sechs Teams um den Klassenverbleib bangen. «Das wird Abstiegskampf pur», prognostizierte VfB-Keeper Sven Ulreich.
Nicht auszuschliessen, dass es in diesem Jahr ähnlich dramatisch zugeht wie im unvergessenen Saisonfinale 1999. Damals rettete sich Eintracht Frankfurt in letzter Minute nur dank der mehr erzielten Treffer. Stattdessen musste der 1. FC Nürnberg den Gang in die Zweitklassigkeit antreten.
Wegen der Tabellenkonstellation wird die Spannung bis zum letzten Spieltag anhalten. Als einziges Team könnte es die Stuttgarter schon an diesem Wochenende erwischen. Voraussetzung dafür ist eine Niederlage gegen den HSV. Gewinnen dann mindestens zwei der drei Mitkonkurrenten Paderborn (31/beim FC Schalke), Hannover (31/in Augsburg) oder Freiburg (31/gegen Bayern München), wäre der zweite Abstieg des VfB nach 1975 perfekt. Diese Ausgangslage zerrt an den Nerven aller Beteiligten. «Das ist Abstiegskampf! Ihr seid Affen, das seid ihr! Hört doch auf, hört doch auf!», soll Trainer Huub Stevens seine Profis im Training am Donnerstag angeschrien haben.
Das «Endspiel» der beiden Traditionsclubs könnte zum Höhepunkt des Fussball-Wochenendes werden. Die Vita der beteiligten Fussball-Lehrer Stevens und Bruno Labbadia erhöht den Reiz der Partie. Schliesslich treten beide gegen ihre ehemaligen Clubs an. «Darauf hätte ich gut verzichten können. Das muss ich nicht haben», bekannte Labbadia im «Kicker». Die Schlagzeilen über das «Duell der Trainer» hält der HSV-Coach für übertrieben: «Die Situation ist schon brisant genug».
Wachsende Anspannung ist auch andernorts zu spüren. Für Aufregung sorgte der Ratschlag des Paderborners Trainers André Breitenreiter an die Bayern, in Freiburg mit Bestbesetzung anzutreten. Damit befeuerte er die Diskussion um eine mögliche Wettbewerbsverzerrung durch die Münchner, die nach dem Gewinn des 25. Meistertitels am 30. Spieltag ihre Spiele in Leverkusen (0:2) und gegen Augsburg (0:1) verloren hatten. Doch Mittelfeldmann Sebastian Rode versprach vollen Einsatz: «Wir wollen uns nichts nachsagen lassen.» Als Argumentationshilfe taugt die bisherige Bilanz der Bayern gegen Abstiegskandidaten. In elf Partien gab es bei einem Remis zehn Siege.
Der Vorstoss von Breitenreiter kam in Freiburg nicht besonders gut an. «Es ist interessant, dass solche Dinge thematisiert werden. Da kann sich jeder ein Bild machen», kommentierte Christian Streich mit kühler Miene. Der SC-Coach geht nicht davon aus, dass die Münchner nach ihrem Abschied aus der Champions League die für sie bedeutungslosen restlichen Saisonspiele im Schongang bestreiten. Dennoch traut er seinem Team eine Überraschung zu: «Wenn wir ein gutes Spiel machen, unaufgeregt und schlau, mit Hunger und Präzision, dann haben wir eine Chance zu gewinnen.»
Die Erinnerungen, wie sich ein Sieg anfühlt, sind in Hannover mittlerweile verblasst. Der letzte Dreier gelang am 16. Spieltag – gegen den kommenden Gegner Augsburg. Das wird beim Drittletzten als gutes Omen gewertet. Zudem bewies das Team zuletzt gegen Wolfsburg (2:2) und Bremen (1:1) gute Moral. Das verleitete den neuen Trainer Michael Frontzeck zu einer besonderen Sicht der Dinge: «Mich interessiert diese Sieglos-Serie nicht. Man kann auch sagen, dass wir seit zwei Spielen ungeschlagen sind.»
Ähnlich zuversichtlich geht sein Paderborner Kollege Breitenreiter auf die Zielgerade. «Für uns soll es nicht das letzte Auswärtsspiel in der Bundesliga werden», sagte der Coach vor dem Duell mit dem FC Schalke. Dass der Gegner nach den Vorkommnissen der vergangenen Tage mit Freistellungen der Profis Kevin-Prince Boateng und Sidney Sam sowie der bis einschliesslich Samstag anhaltenden Suspendierung von Marco Höger besonders motiviert sein könnte, lässt Breitenreiter kalt: «Wir haben zur Kenntnis genommen, dass sie uns auffressen wollen. Aber wir werden eine Leistung bieten, die den Schalkern nicht schmecken wird.»