Deutsche Demut nach dem Erdbeben

Das 7:1 im Halbfinal gegen Brasilien wird für die Deutschen als Jahrhundert-Sieg in die WM-Geschichte eingehen. Das DFB-Team will aber demütig bleiben. Der Fokus liegt bereits auf dem Final.

Flick und Löw jubeln über denkwürdigen Sieg. (Bild: SI)

Das 7:1 im Halbfinal gegen Brasilien wird für die Deutschen als Jahrhundert-Sieg in die WM-Geschichte eingehen. Das DFB-Team will aber demütig bleiben. Der Fokus liegt bereits auf dem Final.

Nach ihrem magischen Fussball-Abend haben die deutschen Titel-Jäger noch nicht wie die Weltmeister gefeiert. Das weltweit bestaunte 7:1-Erdbeben, das den gedemütigten Gastgeber in einen Schockzustand stürzte, löste grosse Glücksgefühle aus, aber keine überschäumende Euphorie. «Wir haben uns jetzt gegenseitig schon gebremst», berichtete Miroslav Klose nach dem verrückten Spiel gegen den Rekord-Weltmeister. Bei den deutschen Medien hatte es keine Zurückhaltung gegeben. Der ZDF-Reporter war verblüfft und sprach vom «Wunder von Belo». Die «Bild»-Zeitung titelte auf ihrem Online-Portal «Torgasmus des Jahres.»

So abgebrüht und fokussiert, wie seine Mannschaft auf dem Feld das in Panik geratene brasilianische Team demontiert hatte, blieb auch Joachim Löw nach dem grössten Sieg in seiner achtjährigen Amtszeit als Bundestrainer. «Man sollte das Ergebnis jetzt auch nicht zu hoch hängen. Wir müssen jetzt Demut haben und uns mit aller Ruhe vorbereiten auf den Final», sagte der 54-Jährige und mahnte mit Blick auf das Endspiel vom Sonntag in Rio de Janeiro gegen Argentinien oder Holland: «Niemand sollte sich unbesiegbar fühlen.»

Erfreut konnte der Chef der deutschen Titel-Mission auf der Heimreise aus Belo Horizonte ins Campo Bahia feststellen, dass «kein völliges Abgehoben sein» bei seinem Team eingetreten war. Diese gereifte Mannschaft sei «geerdet» und wisse, dass der letzte Schritt zur Krönung noch ausstehe: «Ich glaube, dass diese Mannschaft unbedingt bereit ist, den Final jetzt auch zu gewinnen.» Der herausragende Toni Kroos, der nach seinem 50. Länderspiel als «Man of the Match» ausgezeichnet wurde, bestätigte seinen Chef umgehend: «Weltmeister ist noch niemand im Halbfinal geworden.» Löw meinte weiter: «Der Gegner im Final wird sich gegen uns ganz anders präsentieren als Brasilien.» Im Maracana könnte Deutschland als erstes Team aus Europa bei einer WM in Südamerika triumphieren. «Mir ist wurst, wo ich Weltmeister werde. Hauptsache, wir werden es», sagte Kroos.

Löw, dessen Masterplan vollends aufgegangen war, fühlte mit mit den Brasilianern. «Uns ist es 2006 an der WM im eigenen Land ähnlich ergangen. Wir hatten den Halbfinal gegen Italien in der 119. Minute verloren. Das war ebenfalls sehr bitter.» Während sich die Brasilianer sehr schwer damit taten, eine Erklärung für ihren monumentalen Untergang zu finden, meinte TV-Experte Oliver Kahn im ZDF, dass die «Seleçao» wohl nicht erfahren genug gewesen sei, um im Halbfinal mit einer Extrem-Situation richtig umgehen zu können. Er habe schon vor der Partie gedacht, dass es für die Brasilianer sehr gefährlich sei, dass ihr Traum vom WM-Titel derart stark von den Emotionen getragen werde. Gegen Deutschland dann habe die «Seleçao» keine Mittel gehabt und taktisch alles falsch gemacht.

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