Die deutsche Regierung hat ihre Sicherheitspolitik neu formuliert. Teil der neuen Pläne sind Einsätze der Streitkräfte bei Terroranschlägen, eine Öffnung der Truppe für EU-Ausländer und mehr deutsche Verantwortung in der NATO.
Das Kabinett beschloss am Mittwoch ein neues Weissbuch, das eine aktivere Rolle Deutschlands in der Welt vorsieht. Darin wird festgehalten: «Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global.» Das Weissbuch löst das Vorgänger-Dokument aus dem Jahr 2006 ab.
Ein Kernpunkt des Weissbuchs ist die strategische Neuausrichtung der Bundeswehr vor dem Hintergrund einer veränderten sicherheitspolitischen Lage. «Es gibt eine nie gekannte Dichte und Parallelität der Krisen», sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
Sie verwies dabei auf die Annexion der ukrainischen Krim durch Russland und auf das Erstarken der Terrormiliz Islamischer Staat. Russland wird im Weissbuch als «Herausforderung für die Sicherheit auf unserem Kontinent» beschrieben.
«Deutschland ist bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen und auch zu führen», sagte von der Leyen weiter. Ein Beispiel sei die Übernahme der Aufgabe einer Rahmennation bei der geplanten Entsendung von NATO-Soldaten nach Litauen. Allerdings dürfe sich Deutschland auch nicht überschätzen: «Wir sind bereit zu führen, aber wir kennen auch unser Mass.»
Einsatz im Innern
Zur Ausweitung von Bundeswehreinsätzen im Inneren soll das Grundgesetz zwar nicht geändert werden. Allerdings stellt das Weissbuch klar, dass die Bundesregierung den Einsatz von Soldaten bei «terroristischen Grosslagen» für verfassungskonform hält.
Auf diese Kompromissformel hatten sich von der Leyen und Aussenminister Frank-Walter Steinmeier geeinigt. Die Deutsche Polizeigewerkschaft ist mit dem Kompromiss der Koalitionäre trotzdem nicht einverstanden. Der Vorsitzende Rainer Wendt sprach von einer «Grundgesetzänderung durch die Hintertür».
Eine weitere Neuerung: Die Bundeswehr soll sich für EU-Ausländer öffnen. Bisher dürfen nur Deutsche Soldaten werden. Dies wäre «ein starkes Signal für eine europäische Perspektive», heisst es im Weissbuch. Von der Leyen verwies auf ähnliche Möglichkeiten im Beamtenrecht, doch seien hier «noch viele Fragen zu beantworten».
Der Bundeswehrverband lehnt das ab. «Die deutsche Staatsangehörigkeit ist für uns elementar und muss es bleiben – wegen des besonderen gegenseitigen Treueverhältnisses von Staat und Soldat und der gesetzlichen Verankerung», sagte Verbandschef André Wüstner der Nachrichtenagentur dpa. Soldat sei kein Beruf wie jeder andere.
Kritik von Links
SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht stellte in Berlin klar, «dass Bundeswehreinsätze im Inneren nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich sind». Hier habe die SPD durch von der Leyen geplante Ausweitungen verhindert. Das Auswärtige Amt sprach von einem Kompromiss, der insgesamt ein «gutes Produkt» ermöglicht habe.
Aus Sicht der Linken atmet die neue Sicherheitspolitik deutsches «Grossmachtdenken». «Es ist ein Weissbuch für Aufrüstung und Krieg», sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Christine Buchholz. Die Grünen-Fraktion warf von der Leyen vor, sie wolle «die Zeit in die gefährliche Aufrüstungslogik des Kalten Krieges zurückdrehen».