In Deutschland hat das Landgericht Köln die Beschneidung eines Knaben aus religiösen Gründen als strafbare Körperverletzung bewertet. Das Gericht fällte damit womöglich ein wegweisendes Urteil.
In der am Dienstag veröffentlichten Entscheidung verwiesen die Richter unter anderem darauf, dass «der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert» werde. «Diese Veränderung läuft dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit zu entscheiden, zuwider.»
Weiter heisst es in dem Urteil, auch sei das Erziehungsrecht der Eltern «nicht unzumutbar beeinträchtigt», wenn sie abwarten müssten, ob sich das Kind später für eine Beschneidung als «sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam» entscheide.
Arzt freigesprochen
Dennoch gelangte das Gericht im vorliegenden Fall zu der Auffassung, dass ein nach der Beschneidung eines vierjährigen Knaben angeklagter Arzt freigesprochen werden muss: Der Mediziner habe sich in einem sogenannten Verbotsirrtum befunden. Dies bedeutet, dass ein Angeklagter ohne Schuld handelt, wenn ihm bei Tatbegehung die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun.
Der deutsche Strafrechtler Holm Putzke bezeichnete das Kölner Urteil als «für Ärzte enorm wichtig, weil diese jetzt zum ersten Mal Rechtssicherheit haben». «Das Gericht hat sich – anders als viele Politiker – nicht von der Sorge abschrecken lassen, als antisemitisch und religionsfeindlich kritisiert zu werden», sagte Putzke der «Financial Times Deutschland» (FTD).
Der Zeitung zufolge stellte mit dem rechtskräftigen Kölner Urteil erstmals ein deutsches Gericht den religiösen Brauch der Beschneidung unter Strafe.
Juristische Grauzone
Laut FTD werden in Deutschland jährlich mehrere tausend jüdische und muslimische Knaben auf Wunsch der Eltern beschnitten. Dabei hätten Ärzte über Jahrzehnte in einer juristischen Grauzone agiert, wenn sie Knaben aus religiösen Gründen beschnitten.
Bislang hätten Ärzte sich darauf berufen können, keine Kenntnis von der Strafbarkeit religiöser Beschneidungen gehabt zu haben berichtete die Zeitung. Mit dem Kölner Urteil entfalle nun künftig die Möglichkeit, wegen eines solchen unvermeidbaren Verbotsirrtums freigesprochen zu werden.