Nach anderthalb Jahren haben sich die zerstrittenen Lager in Belgien auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Neuer Regierungschef wird der Sozialist Elio di Rupo. Am Donnerstag berichtete er dem belgischen König über die Grundsatzeinigung zwischen sechs flämischen und wallonischen Parteien.
In den kommenden Tagen müssen die Verhandlungsführer der Koalition letzte Streitfragen klären und die Ministerposten vergeben, wie ein Sprecher di Rupos sagte. Die Vereidigung des neuen Kabinetts ist für den Beginn der kommenden Woche vorgesehen. Am Mittwoch stellt sich die Regierung dann voraussichtlich einer Vertrauensabstimmung.
An Di Rupos Regierung sind Christdemokraten, Sozialisten und Liberale aus beiden Landesteilen beteiligt – schwarz, rot, gelb, wie die Farben der Nationalflagge. Dem Kabinett sollen maximal 15 Minister angehören. Über die Postenverteilung wurde am Donnerstag noch verhandelt.
In der Schuldenkrise
Belgien war am Donnerstag 536 Tage ohne Regierung – ein Rekord in der jüngeren Weltgeschichte. Das Land mit rund 10 Millionen Einwohnern wurde seit der Parlamentswahl im Juni 2010 vom abgewählten christdemokratischen Ministerpräsidenten Yves Leterme nur geschäftsführend geleitet.
Die grösste Hürde war die Einigung auf einen Sparhaushalt und einschneidende Reformen, um das Land aus der Schuldenkrise zu ziehen. Das Land ist mit 97 Prozent der Wirtschaftsleistung hoch verschuldet. Erst am Wochenende rauften sich die Koalitionäre zusammen, nachdem die Ratingagentur Standards & Poor’s die Bonität Belgiens herabgestuft hatte.
Erst im zweiten Anlauf
Das Ringen um einen Ausweg aus der tiefen Staatskrise hatte noch vor anderthalb Wochen vor dem abermaligen Scheitern gestanden. Wegen der Blockade in den Haushaltsverhandlungen – Belgien muss im kommenden Jahr 11,3 Milliarden Euro einsparen – hatte Di Rupo schon das Handtuch geworfen und den König um seine Entlassung gebeten.
Albert II. verlangte jedoch einen letzten Kraftakt, der letztlich zum Erfolg führte. Bei einem Abbruch der Gespräche wäre das Land zum nächsten grossen Sorgenkind der Eurozone geworden, die Zinsen sind bereits auf bedrohliche Höhen gestiegen.