Die 7 Verluste des Jahres

Wir werden sie vermissen. All jene, die in den letzten 12 Monaten von uns gingen. Die keine Filme mehr drehen, keine Songs mehr singen, keine Kunst mehr schaffen werden. 7 Verluste, auf die wir 2011 hätten verzichten können. Wir werden sie vermissen. All jene, die in den letzten 12 Monaten von uns gingen. Die keine […]

Wir werden sie vermissen. All jene, die in den letzten 12 Monaten von uns gingen. Die keine Filme mehr drehen, keine Songs mehr singen, keine Kunst mehr schaffen werden. 7 Verluste, auf die wir 2011 hätten verzichten können.

Wir werden sie vermissen. All jene, die in den letzten 12 Monaten von uns gingen. Die keine Filme mehr drehen, keine Songs mehr singen, keine Kunst mehr schaffen werden. 7 Verluste, auf die wir 2011 hätten verzichten können.

1. Amy Winehouse

Amy Winehouse.

Amy Winehouse.

Sie war die wohl wichtigste Sängerin der Nuller-Jahre: Amy Winehouse, deren Ausnahmestimme nicht nur quasi im Alleingang ein ganzes Genre – Northern Soul – wiederbelebte, sondern die mit nur zwei Alben – «Frank» (2003) und «Back to Black» (2006) – zum grössten Superstar einer Generation wurde. Doch der Glanz des rasanten Aufstiegs hielt nicht lange, der Lack blätterte rasch: Schon nach wenigen Jahren im Rampenlicht stürzte die Soul-, Jazz- und Bluesvirtuosin ins Bodenlose. Alkohol- und Drogenexzesse sowie destruktive Beziehungen und Affären verwandelten das propere Londoner Mädel im Zeitraffer in ein wandelndes Wrack, das bei Auftritten lallend von der Bühne fiel. Statt als Musikerin sorgte Winehouse fortan nur mehr als Paparazzi-Opfer für Schlagzeilen. Man hätte dieser grossartigen Künstlerin, die noch derart viel Potential zu haben schien, das angestrebte Comeback so sehr gegönnt. Aber nach einer weiteren, gescheiterten Beziehung fehlte Amy Winehouse scheinbar die Kraft. Am 23. Juli ging sie in den berüchtigten «Club 27» ein: Sie hatte sich, von Eltern und Bodyguard unbemerkt, in ihrem eigenen Schlafzimmer zu Tode getrunken. (tah)

2. Liz Taylor

Liz Taylor.

Liz Taylor.

Jahrzehntelang galt sie als schönste Frau der Welt. Trug an ihrem Körper stets teuren Schmuck, teils im Wert mehrerer Millionen. Und bis ins hohe Alter sah man sie nur perfekt in Pelzmäntel und Diamanten drapiert über die roten Teppiche schreiten. Doch Liz Taylor war nicht nur die vollkommene Hollywood-Diva, sie war auch eine der begabtesten Schauspielerinnen ihrer Generationen. Mag sie Filmfans für immer in ihrer Paraderolle als «Cleopatra» (1963) in Erinnerung bleiben, hatte sie bereits zuvor als Charakterdarstellerin in «Die Katze auf dem heissen Blechdach» (1958) oder «Telefon Butterfield 8» (1960) geglänzt – für beide Rollen erhielt sie einen Oscar. Gerne hätte Taylor, die schon früh mit «Lassie» (1946) zum Kinderstar wurde, ihre Karriere auch als reife Dame fortgesetzt. Doch nicht nur persönliche Probleme und ihr ausschweifendes Privatleben kamen der achtmal verheirateten Schauspielerin in die Quere, sondern auch ihre fragile Gesundheit. Von Lungenkrankheiten, Krebsleiden und zig Knochenbrüchen gezeichnet, war es sogar ihrer imposanten Fangemeinde unter den Filmproduzenten Hollywoods zu heikel, die Diva zu verpflichten. Ihre letzten Jahre verbrachte die Taylor daher zurückgezogen in einer eigenen Suite im «Cedars-Sinai Medical Center» von Los Angeles, wo ihr Herz nach 79 turbulenten Jahren im März versagte. (tah)

3. Loriot

Still aus Loriots «Badewannen»-Cartoon.

Still aus Loriots «Badewannen»-Cartoon.

Im Frühjahr diskutierte ganz Deutschland über einen Doktortitel, den sich ein Politiker erschummelt hatte. Kurz darauf trauerte der gesamte deutschsprachige Raum um einen Mann, der sich so gepflegt über Akademiker lustig gemacht hatte wie kaum ein anderer: Vicco von Bülow, besser bekannt unter seinem Pseudonym Loriot. Die Szene wird man nie vergessen: Da sitzen zwei Herren in der Badewanne und streiten sich um ein Quietsche-Entchen. Unvergesslich nicht nur Loriots Cartoons, sondern auch seine Filme, etwa «Papa Ante Portas. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg wusste er nicht so recht, was er mit seinem Leben anfangen sollte, wie er in seinem «Grossen Loriot-Buch» festhielt: «Nach insgesamt etwa zwanzig Lehrjahren sah ich mich imstande, ein kleines Männchen zu zeichnen, das mich bis heute ernährt. Ich bin sehr gut zu ihm, damit es mich nicht verlässt.» Nun hat er uns verlassen, der Schöpfer von Doktor Löbner, Herrn Müller-Lüdenscheidt und zahlreichen weiteren Figuren. Seine Männchen und seine Sketches werden ihn überleben, in Buchform und in unserem DVD-Regal. (mac)

4. Peter Falk

Peter Falk.

Peter Falk.

Dieser freundliche Herr blieb bis zu seinem Tod mit einer einzigen Figur verbunden: Jener des Inspector Columbo. In einer rostigen alten Kiste tauchte er an Mordschauplätzen in und um Hollywood auf. Stand im beigen Trenchcoat unter Palmen, an Pools, in Büros – in der einen Hand stets eine Zigarre griffbereit, in der anderen das Notizblöcklein. Die Mörder fühlten sich angesichts dieses leicht zerstreut und dusselig wirkenden Kommissars stets intellektuell und sozial überlegen. Und unterschätzten dabei die Beharrlichkeit dieses Secondos, dessen subtile Recherchemethoden – und seinen Grips. Columbo liebte man, weil er die Arroganz und Überheblichkeit der Reichen und Mächtigen durchschaute und ihnen wunderbar hartnäckig auf den Fersen blieb. In insgesamt 69 Filmen jubelten wir innerlich, wenn sich der Kommissar beim Verlassen eines Zimmers noch einmal umdrehte, den Zeigefinger in der Luft und den Satz auf den Lippen: «Ich hätte da noch eine Frage …» Im Juni starb Peter Falk (83) in seinem Haus in Beverly Hills. Also in jener Gegend, in der er jeweils in seinem schön-schäbigen Peugeot an die Tatorte ratterte. Tempi passati. Wir werden ihn – und die Figur seines Schauspiellebens – vermissen. (mac)

 

5. nt/Lounge

«Restaurant Erlkönig». Der Name ist mit den langjährigen Pächtern ausgezogen.

«Restaurant Erlkönig». Der Name ist mit den langjährigen Pächtern ausgezogen.

Jedermann und -frau im ausgehfähigen Alter weiss es ganz genau: Jede Party hat ein Ende. Und hinter jedem Höhepunkt lauert die Fallkurve. Nichts schlimmer also, als den Zeitpunkt zu verpassen, rechtzeitig das Feld zu räumen. Das sagten sich auch die ersten Zwischennutzer auf dem nt/Areal und kündigten auf 2011 ihren Rückzug aus dem Wildwuchsgebiet an. Das nt werde keimfrei, erklärten sie vieldeutig. Am letzten Oktoberwochenende war es soweit: Das Thai-Restaurant K:MUN hatte bereits dichtgemacht, nach über zehn Jahren wurde auch in der nt/Lounge zum letzten Tanz gebeten. Es war ein Abend voller Emotionen, voller strahlender und bekannter Gesichter, und am Ende auch voller Wehmut. Schön wars, hier, hinter den sieben Geleisen. Richtig aber auch, dass der Erlkönig mal seine Siebensachen packte und davonritt. Dabei nahm er übrigens auch seinen Namen mit, wie die TagesWoche im November berichtete. Was an ihn erinnern wird, nebst unseren eigenen Flashbacks: Ein Weg, der nach ihm benannt wird. Hüsch und hott, das ist doch flott! (mac)

6. Bernhard Luginbühl

Bernhard Luginbühl bei der Verbrennung einer seiner Skulpturen im Park des Museum Tinguely in Basel 2004.

Bernhard Luginbühl bei der Verbrennung einer seiner Skulpturen im Park des Museum Tinguely in Basel 2004. (Bild: Keystone)

Bernhard Luginbühl liebte das Feuer. So sehr, dass er immer wieder Kunstwerke baute, nur um diese den Flammen zu übergeben. 1976 zündete der Eisenplastiker sein erstes Werk, sein Holzgebilde «Zorn», auf der Berner Allmend an. Damals war der Sohn eines Metzgers und langjährige Freund Jean Tinguelys bereits berühmt  für seine Plastiken – surreale Ungeheuer, die er aus Material schuf, das er auf Schrottplätzen oder stillgelegten Industrieanlagen fand. Die Verbrennungsaktionen des Berners glichen immer einem Spektakel mit Musik und Feuerwerk und vielen Zuschauern. Die publikumswirksamen Events paarte der Künstler mit Bodenhaftung mit seinem Protest gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen. Am 19. Februar 2011, drei Tage nach seinem 82. Geburtstag, schlief Bernhard Luginbühl friedlich ein. (kng)

7. Socrates

Socrates.

Socrates.

Socrates war so etwas wie die Antithese zu Christian Gross. Der fragt seine Spieler jeweils, wieviele Titel sie auf ihrer Visitenkarte haben. Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira de Oliveira, genannt Socrates, hatte da eine dezidiert andere Meinung: «Wozu braucht man Titel? Für den Lebenslauf? Den kannst du dir dann in die Tasche stecken, zusammenfalten und zerreissen.» Der Doutor hatte immer eine andere Vorstellung davon, was den Fussball ausmachen sollte. Ihm ging es um Ästhetik. Und um persönliche Freiheit. Als er 1984 während eines Interviews wie immer Kette rauchte und Bier trank, fragte ihn der erstaunte Journalist, ob das eines Athleten würdig sei. Socrates’ Antwort: «Ich bin kein Athlet. Ich bin Fussball-Künstler.» Am Fussball hing er sein Leben lang. «Kein Spieler gibt seine Fussballkarriere auf», sagte er einmal, «der Fussball ist es, der sich von den Spielern abwendet.» Am frühen Morgen des 5. Dezembers wandte sich das Leben von Doutor Socrates ab. Nur 57 Jahre lang hatte sein Körper dem Alkohol und den Zigaretten widerstanden. Am Abend seines Todestages gewann sein Club Corinthians Sao Paulo zum fünften mal die brasilianische Meisterschaft. (fra)

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