Mit einem Kamerasystem und einem lernenden Algorithmus haben Forscher der ETH Lausanne (EPFL) ein Wetterphänomen studiert, von dem in diesen Frühlingstagen wohl viele erst mal nichts mehr wissen wollen: Ihre Schneefall-Analysen sollen Wettervorhersagen verbessern.
«Wissenschaftler mühen sich seit über 50 Jahren damit ab, die Messung und die Vorhersage von Regen- und Schneefällen zu verbessern», erklärte Alexis Berne von der EPFL gemäss einer Mitteilung der Hochschule vom Donnerstag. Die mit Regen zusammenhängenden Prozesse seien in Ansätzen schon gut verstanden. «Für den Schnee ist es weitaus komplizierter.»
Schneeflocken sind aufgrund ihrer Form, Geometrie und ihren elektromagnetischen Eigenschaften weit schwieriger zu fassen. All das beeinflusst nämlich, wie die Kristalle Radarsignale an die Stationen zurücksenden, die Wetterphänomene messen.
«Unsere Kenntnisse über den Wassergehalt der Schneeflocken sind nach wie vor ziemlich schlecht», so Berne weiter. «Das Ziel unserer Studie war daher, besser zu verstehen, was herunterfällt, wenn es schneit, um mittelfristig die Vorhersagen des Schneeniederschlags im Gebirge zu verbessern.»
Drei Fotoapparate und ein Algorithmus
Dafür verwendeten Berne und sein Team ein Kamerasystem aus drei synchronisierten Fotoapparaten, das die fallenden Flocken aus drei Winkeln fotografiert. Mit Unterstützung von Forschenden des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF sammelte das EPFL-Team Daten: einen Winter lang in Davos und einen Sommer lang in der Antarktis. Das Resultat waren Millionen von Aufnahmen.
Anschliessend trainierten die Forscher einen Algorithmus an 3500 der Aufnahmen, sechs verschiedene Familien von Schneeflocken zu unterscheiden: Plättchen, Säulen, Graupel, Schneeaggregate, Kombinationen von Plättchen und Säulen sowie kleine Partikel. Den Rest analysierte der Algorithmus anschliessend automatisch. Auch den Vereisungsgrad jeder einzelnen Flocke konnten die Forscher anhand der Textur der Bilder bestimmen, schrieb die EPFL.
Die «ideale» Schneeflocke ist selten
Der Vergleich zwischen Davos und der Antarktis ergab, dass die verschiedenen Flockentypen unterschiedlich häufig auftauchen. In den Bündner Alpen waren es fast zur Hälfte Schneeaggregate, in der Antarktis bestand der Schnee hingegen zu 54 Prozent aus kleinen Partikeln. Die filigran verzweigten Schneeflocken, wie man sie sich gerne vorstellt, kamen an beiden Orten selten vor.
Die unterschiedliche Schneezusammensetzung erklärt Berne mit den heftigen Winden der Antarktis, die ständig die Schneedecke abtragen und somit die Entstehung kleiner Schneepartikel begünstigen. Ausserdem sei der Vereisungsgrad in der Antarktis wegen der tieferen Luftfeuchtigkeit geringer.
Bessere Vorhersagen
Die Methode, welche die Forscher im Fachblatt «Atmospheric Measurement Technique» vorstellen, soll helfen, Modelle für die Wettervorhersage zu verbessern. Für die Studie arbeiteten die EPFL-Forschenden daher auch mit Meteo Schweiz zusammen.
Ausserdem kann die Analyse dazu beitragen, das Wasseräquivalent der Schneedecke genauer zu bestimmen. Diese Information sei für die hydraulische Energiegewinnung und die Bewässerung nützlich, schrieb die EPFL.
Die Forscher sammeln indes weiter Daten, zunächst in der Antarktis, 2018 dann auch bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang in den koreanischen Bergen. «Je mehr Daten wir sammeln, desto verlässlicher wird unsere Statistik», erklärte Berne.