Die gute Stube auf dem Münsterhügel und die vernachlässigte Verkehrsinsel beim Rathaus

Münster- und der Marktplatz markieren das Zentrum Basels. Während sich der frisch herausgeputzte Münsterplatz in erhabener Würde sonnt, fristet der Marktplatz ein wenig attraktives Dasein als überdimensionierte Verkehrsinsel.

Das Steinmännchen, das während der Art-Woche über den Münsterplatz herrschte, verabschiedet sich wieder.

(Bild: Vivienne Hügli)

Münster- und der Marktplatz markieren das Zentrum Basels. Während sich der frisch herausgeputzte Münsterplatz in erhabener Würde sonnt, fristet der Marktplatz ein wenig attraktives Dasein als überdimensionierte Verkehrsinsel.

Wo ist das Zentrum von Basel? Als Antworten auf diese Frage dürften die Nennung des Marktplatzes und des Münsterplatzes obenauf schwingen. Richtig sind beide Antworten (wobei sich in der Stadt der Gegenwart wohl noch einige weitere Zentren hinzufügen liessen). Aber auch historisch gesehen kann man in Basel, wenn man einen Vergleich mit Siena heranzieht, zwischen dem geistlichen Zentrum, dem Piazza del Duomo, und dem zivilen oder politischen Zentrum, dem Piazza del Campo, unterscheiden.

Der Vergleich mit Siena stammt aus einem Text der Basler Kunsthistorikern Uta Feldges, der 2011 im ersten Ausstellungskatalog des damals neu eröffneten Museums der Kulturen erschienen ist. Während in Siena beide Plätze erhabene Würde auszustrahlen vermögen, gilt dies in Basel nur für den frisch herausgeputzten Münsterplatz, während der Marktplatz ein Dasein als unattraktive überdimensionierte Verkehrsinsel fristet.

Der unumstrittene Vorzeigeplatz

Der Münsterplatz ist schön. Es gibt wohl niemanden, der den weitläufigen Platz, der sich, vom Münster und den vornehmen ehemaligen Domherrenhäusern gesäumt, würdevoll über den Münsterhügel erstreckt, nicht als gute öffentliche Stube der Stadt bezeichnen würde. Erst recht, seit er nach jahrzehntelangem Kampf nicht mehr den unrühmlichen Titel als «Europas schönster Parkplatz» tragen muss, wie ihn das einstige Wirtepaar des Cafés zum Isaak in einem Inserat im «Spiegel» bezeichneten.

Über die Attribute schön, würdevoll und erhaben hinaus scheiden sich die Geister. Für die einen zeitigt der Platz ein Dasein als schläfrige museale Kulissenlandschaft. Die Vereinigung Kulturstadt jetzt zum Beispiel fordert «eine konsequente Belebung des Platzes und eine Nutzung durch Grossveranstaltungen». Und auch das am Platz ansässige Bau- und Verkehrsdepartement versuchte, den Platz mit einer Buvette zu beleben – ein Vorstoss, der sogar beim Basler Heimatschutz auf Wohlwollen stiess.

Basel und seine Plätze
Es ist eine Ansammlung von vielen kleinen und grösseren Leidensgeschichten: Während in den Wohnquartieren, mit mehr und weniger Erfolg, etliche neue «Begegnungszonen» geschaffen wurden, bleiben die meisten Plätze im Zentrum seit Jahrzehnten unangetastet. Die TagesWoche macht sich auf eine Tour durch Basels Plätze und sucht nach unterschiedlichen Modellen der Platzgestaltungen:

Messeplatz

Nicht aber bei der Anwohnerschaft und der Evangelisch-reformierten Kirche. Sie wehrten sich vehement gegen die Einrichtung einer Buvette unter dem baumbestandenen kleinen Münsterplatz, die eigentlich als Versuchslauf während der mehrjährigen Neupflästerung des Platzes gedacht war. 2010 kapitulierte das Bau- und Verkehrsdepartement vor den zahlreichen Einsprachen und stellte den für damals vorgesehenen Betrieb einer Buvette zurück.

«Würde als sakraler und besinnlicher Ort»

Die Anwohnerinnen und Anwohner haben sich, sekundiert von der Evangelisch-reformierten Kirche und der Basler Lesegesellschaft, zum Verein Pro Münsterplatz zusammengeschlossen. Der Verein setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, «dass der Charakter des Münsterplatzes bewahrt und bei der Nutzung des Platzes berücksichtigt wird». Als Charaktermerkmale werden «die Schönheit und Intaktheit des denkmalgeschützten Ensembles» und «seine Würde als sakraler und besinnlicher Ort» genannt.

Für Pro Münsterplatz ist die gute historische Stube der Stadt als Eventplatz zum Beispiel für Jugendkultur-Veranstaltungen ungeignet. «Der Münsterplatz und die Pfalz sollen vorwiegend als zentraler Ort der Erholung und der Begegnung genutzt werden, an dem es jederzeit möglich ist, sich mit Musse und ohne Konsumzwang aufzuhalten, einander zu treffen, zu spielen etc.», heisst es.

Die Beteiligten betonen aber, dass sie gegen gelegentliche Veranstaltungen nichts einzuwenden hätten. So wird zum Beispiel die jährliche Belegung als Platz für die Herbstmesse begrüsst. 2014 trat der Verein gar selber als Veranstalter auf dem Münsterplatz auf. Mit dem Musikmarathon organisierte Pro Münsterplatz ein kleines, aber inhaltlich hochstehendes Festival.

60 Veranstaltungstage bewilligt

Zu Recht weist der Verein darauf hin, dass der Münsterplatz durchaus auch als Veranstaltungsort genutzt wird. Neben der Herbstmesse locken das Openair-Kino und der Weihnachtsmarkt alljährlich viele Menschen auf den Platz. Laut den «Belegungsregeln» des Tiefbauamts liegt die Grenze bei 60 Veranstaltungstagen im Jahr.

Maximal 50 Tage dürfen «mit Anlässen mit besonders lärmintensiven Auswirkungen (Events) belegt werden», heisst es. An maximal 30 Tagen gibt es eine Lautsprecherbewilligung bis Mitternacht, bis an vier Tagen ist theoretisch eine Bewilligung bis 2 Uhr in der Früh möglich. Als lärmintensiv werden bereits die Herbstmesse und das Kino-Openair eingestuft, die 29 dieser Veranstaltungstage belegen.

Die Ruhe hat auch Vorteile

Es gibt allerdings wenige Stimmen, die den Münsterplatz einer entsprechenden Dauerbespielung unterziehen möchten. So ist es nicht zuletzt seiner Abgeschiedenheit von der lebendigen Talstadt zu verdanken, dass der Platz nie dem Investitionsdruck des Gewerbes ausgesetzt war und damit von profitorientierten Verschandelungen verschont blieb.

Als Manko wird vielmehr empfunden, dass mit dem Restaurant zum Isaak und dem Museumsbistro Rollerhof gerade mal zwei Einkehrmöglichkeiten vorhanden sind, wovon Letztere bereits um 21 Uhr (am Dienstag und Sonntag gar um 18 Uhr) dicht macht. Auf dem weitläufigen Platz wirken die wenigen Tische ziemlich verloren.

Sogar Buvette-Gegner wie der 2014 verstorbene ehemalige Basler Denkmalpfleger Alexander Schlatter hätten es begrüsst, wenn der Platz mehr gastronomische Angebote hätte: «Zum Beispiel ein paar Cafés (statt teure Speiserestaurants), die aus dem Erdgeschoss der Häuser auch den Aussenraum bedienen, ohne ihn dabei mit Installationen wie Buffets und WCs zu verunstalten», wie er in der hier bereits erwähnten Publikation des Museums der Kulturen schrieb.

Kein Platz für weitere Cafés

Solche zusätzlichen Cafés lassen sich auf dem Platz aber nur schwer einrichten. Die Schulhäuser an der Front gegenüber dem Münster kommen nicht in Frage. Und mit dem Umstand, dass der Kanton Anfang der Nullerjahre Amtsstellen räumte, um Wohnraum für «gute Steuerzahler» zu schaffen, reduzierte sich der theoretisch denkbare Raum für die mögliche Einrichtung von Cafés praktisch auf null.

Und an den wenigen Orten, wo es noch möglich wäre, wollen die Hausbesitzer das auf keinen Fall. Wie etwa am ehrwürdigen Sitz der Allgemeinen Lesegesellschaft, die sich hinter den Bäumen auf dem Kleinen Münsterplatz verbirgt. Dort wurde die Idee, ein öffentliches Café einzurichten, 2002 wieder fallengelassen. Die offizielle Begründung war, dass die Kosten dafür nicht tragbar seien. Es ist aber kein Geheimnis, dass sich viele einflussreiche Nutzer der Lesesäle erfolgreich gegen ein Café zur Wehr gesetzt hatten.

Auch die Idee, am heutigen Standort des Bau- und Verkehrsdepartements ein Hotel einzurichten, landete in der Versenkung. Vor exakt zwei Jahren teilte das Departement mit, dass eine Umwandlung zum Hotel «nicht realisierbar» sei. «Um den Wunsch nach Belebung des Münsterplatzes zu unterstützen», stellte die Regierung damals aber in Aussicht, die «auf den Münsterplatz ausgerichteten Räumlichkeiten im Erdgeschoss für öffentliche Nutzungen zur Verfügung zu stellen». Das war Ende Juni 2013. Seither war nichts mehr zu vernehmen.

Überdimensionierte Verkehrsinsel



Zeitigt das Dasein einer vernachlässigten überdimensionierten Verkehrsinsel: der Basler Markplatz.

Zeitigt das Dasein einer vernachlässigten überdimensionierten Verkehrsinsel: der Basler Marktplatz. (Bild: Vivienne Hügli)

Die Gäste der beiden Restaurants auf dem Münsterplatz haben aber immerhin den Vorteil, auf eine wunderbare Umgebung blicken zu können. Das bleibt Besuchern, die im Aussenbereich der Mövenpick-Brasserie Baselstab Platz genommen haben, verwehrt. Die grüngelbe Wand der beinahe ohne Unterbruch vorbeifahrenden Tramzüge beeinträchtigt den Blick auf das schmucke Rathaus sehr.

Ganz allgemein vermittelt der Basler Martktplatz und mit ihm auch der Markt, der ihn beleben soll, den relativ schäbigen Eindruck einer überdimensionierten Verkehrsinsel zwischen dem Tramtrassee und der zeitweise von Marktfahrern zuparkierten Strasse vor dem Rathaus.

Ende der 1970er-Jahre hatte die Basler Regierung einen Projektwettbewerb zur Neugestaltung des Marktplatzes lanciert. Auf dem ersten Platz landete ein Vorschlag des damals noch kaum bekannten jungen Architekturbüros Herzog & de Meuron. Durch eine Öffnung im Boden sollte der unter dem Platz hindurchfliessende Birsig sicht- und hörbar gemacht werden.

Jacques Herzog ist noch heute überzeugt von seinem Vorschlag, der aber in einer Schublade landete, die bis heute nicht mehr aufgezogen wurde. Bis zum nächsten Anlauf zur Neugestaltung des Marktplatzes werden einige Jahre verstreichen. Der Platz vor dem eigenen Rathaus besitzt im Entwicklungsrichtplan Innenstadt lediglich zweite Priorität. Das heisst konkret, dass der Platz vor dem Zeitfenster 2021 bis 2028 weiterhin unberührt bleiben wird.

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