Messeplatz unter dem Diktat der Funktion

Basel hat Mühe mit der Gestaltung seiner öffentlichen Plätze. Während in den Wohnquartieren «Begegnungszonen» geschaffen wurden, bleiben die meisten Plätze im Zentrum seit Jahrzehnten unangetastet – oder sie wurden quasi überbaut wie im Falle des Messeplatzes.

City Lounge nennt die Messe Schweiz den gedeckten Teil des Platzes. Ausser an den Grossmessen BaselWorld und Art Basel will sich aber das Lounge-Gefühl nicht so richtig einstellen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Vergangene Woche war der Messeplatz in Basel einmal mehr der Nabel der Kunstwelt. Etwa 100’000 Menschen schritten über den Platz, darunter wohlhabende Kunstsammler, Demonstranten, Künstlerinnen. Über ihnen an der Aussenfassade der Messe prangte die riesige Uhr – das Wahrzeichen des Messeplatzes. Die Menschen schritten zu und vorbei an der kulinarischen Kunst- und Kommunikations-Installation «Do We Dream Under The Same Sky» von Rirkrit Tiravanija, Nikolaus Hirsch, Antto Melasniemi und Michel Müller.
Die Art und mit ihr die Kunstinstallation auf dem Platz hauchte dem langgezogenen Platz Leben ein. Unter dem Geflecht aus Bambusrohren konnte man sich gratis verköstigen lassen, wenn man bereit war, seinen Teller selber abzuwaschen. Und man konnte, so die Intention der Künstlergruppe, miteinander ins Gespräch kommen, was letztlich gut funktionierte. Das Angebot wurde, zumindest wenn es das regnerische Wetter zuliess, während der Art-Woche rege genutzt.



«Do We Dream Under The Same Sky» von Rirkrit Tiravanija, Nikolaus Hirsch, Michel Müller und Antto Melasniemi
«Do We Dream Under The Same Sky» von Rirkrit Tiravanija, Nikolaus Hirsch, Michel Müller und Antto Melasniemi (Bild: Art Basel / © ProLitteris)

Rund hundert Meter weiter stadteinwärts, unter dem mächtigen Riegel des 2013 eingeweihten neuen Messe-Hauptbau, laut der Architektur- und Design-Zeitschrift «Hochparterre» «unsäglich ‹City Lounge› getauft», tummelten sich aber auch in den regnerischen Phasen lediglich die Menschen, die aufs Tram warteten.

Der Versuch, Atmosphäre zu generieren

Oder am Montag der Woche die grosse Schar der V.I.P.s, die mit einer Einladung zur Vorbesichtigung der Art Unlimited vor dem Eingang zur Halle 1 unter dem Deckel mit dem Champagner-Glas in der Hand an ihren Zigaretten zogen. Mit wallenden Vorhängen aus weissen Schnüren hatten die Verantwortlichen versucht, zumindest diese Ecke atmosphärisch etwas aufzumöbeln.

Basel und seine Plätze
Es ist eine Ansammlung von vielen kleinen und grösseren Leidensgeschichten: Während in den Wohnquartieren, mit mehr und weniger Erfolg, etliche neue «Begegnungszonen» geschaffen wurden, bleiben die meisten Plätze im Zentrum seit Jahrzehnten unangetastet. Die TagesWoche macht sich auf eine Tour durch Basels Plätze und sucht nach unterschiedlichen Modellen der Platzgestaltungen.

Doch die weite gedeckte Fläche wirkte so düster wie der Himmel an diesem Tag. Immerhin war man vom Regen geschützt, der lediglich durch den runden Lichtschaft in der Mitte des Platzes auf das Zentrum der Lounge prasselte. Vom «hellen Ort mit einer warmen Atmosphäre», wie es in einem Beschrieb der Messe Schweiz heisst, welche «die Deckenbeleuchtung der City Lounge sowie die beleuchteten Foyers schaffen», war nichts zu spüren. Und die neben den beiden Eingängen zum Messezentrum angesiedelten Gastrobetriebe, das Restaurant Käfer Stube, die Ramenbar Namamen und der Gastro-Kiosk avec.bistro, schafften es auch nicht wirklich, dem Aussenbereich Leben einzuhauchen.

Der Messeplatz ist ein Ort, der ganz und gar von der Funktion bestimmt wird. Städtebauliche Argumente, warum die Achse zwischen Mittlerer Brücke und dem Badischen Bahnhof durch einen Bauriegel unterbrochen werden sollte, gab es nahezu keine. Im Vordergrund standen die Bedürfnisse der Messe Schweiz nach einem Neubau, der viel Platz bieten sollte. Und die Bevölkerung gab mit dem Ja zum Baukredit ihren Segen dazu, in der Hoffnung, «dass der Messeplatz auch ausserhalb der grossen Publikumsmessen belebt wird, für die Quartierbevölkerung zugänglich bleibt und attraktiv wird», wie zum Beispiel die SP-Fraktion im Vorfeld der Volksabstimmung schrieb.

Hinter vorgehaltener Hand geben mittlerweile auch Vertreter der Messe Schweiz zu, dass sie sich die City Lounge, zumindest ausserhalb der Baselworld-Woche, wo er mit kleinen Bäumchen und Sitzbänken aufwendig geschmückt und möbliert tatsächlich etwas Einladendes ausströmt, belebter und weniger düster vorgestellt hätten. Offiziell klingt es aber ganz anders. «Der Platz und insbesondere die gedeckte City Lounge haben sich gut bewährt», lässt Mediensprecher Christian Jecker verlauten. «Unsere Erfahrungen sowie die Rückmeldungen unserer Aussteller und Besucher sind gut.»

Aber der Messeplatz und die City Lounge sind auch da, wenn sie von keinen Ausstellern und keinen Messebesuchern bevölkert werden oder die Herbstmesse für Leben sorgt. Jecker empfindet den Platz aber auch in den messefreien Zeiten keineswegs als düstere Ödnis. Für ihn komme der Platz dann «ruhiger und leerer, man könnte auch sagen freier» daher.

Neue Hochhäuser sollen für Leben sorgen

Aber offensichtlich scheinen die Ruhe und Leere auch die Messeverantwortlichen nicht so richtig zu befriedigen. Vor knapp einem Jahr stellte die Messe Schweiz die Resultate einer Testplanung für einen multifunktionellen Neubau anstelle des heutigen Parkhauses vor. Präsentiert wurden zwei Hochhausprojekte von den Basler Architekturbüros Herzog und de Meuron sowie Morger und Dettli.

Es handelt sich in beiden Fällen um markante Hochhäuser, in denen Wohnungen, Büros, Restaurants, ein Hotel und «Quartiernutzungen» vorgesehen sind. Die rund 1400 Parkplätze sollen unter den Boden verschwinden.



Ein multifunktionaler Neubau anstelle des Parkhauses soll den freien Teil des Messeplatzes beleben.
Ein multifunktionaler Neubau anstelle des Parkhauses soll den freien Teil des Messeplatzes beleben. (Bild: Messe Schweiz)

«Ein Neubau würde sicher zu einer weiteren Belebung beitragen, insbesondere aufgrund des vorgesehenen Mix aus Büro, Wohnungen und Quartiernutzungen», sagt Messesprecher Jecker. «Er würde zudem eine weitere architektonische Aufwertung des Messegeländes und des Quartiers bedeuten.»

«Stadt in der Messe»

Im Projektbeschrieb ist gar von einer Art Stadt in der Stadt die Rede: «Das Projekt sieht im Sinne einer ‹Stadt in der Messe› eine Verdichtung unterschiedlicher Programme vor, die den Ort das ganze Jahr hindurch beleben, Synergien schaffen und sich in ihren Aktivitäten überlagern», heisst es.

Im Moment liegen die Resultate der Testplanung beim Bau- und Verkehrsdepartement. Um die Pläne – denkbar wäre auch die Ausschreibung eines neuen Architekturwettbewerbs – konkret weiterverfolgen zu können, ist ein Bebauungsplan und, weil es um den Neubau von Parkplätzen geht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig. Jecker rechnet damit, dass der Bebauungsplan im Herbst öffentlich aufgelegt werden soll.

Es ist zu erwarten, dass dieser Belebungsversuch für heftige Diskussionen sorgen wird. Der private Basler Heimatschutz fühlt sich von der Messe Schweiz hintergangen, weil sie den heutigen Bauriegel mit dem Argument durchgeboxt habe, dass man auf keinen Fall auf das heutige Parkhaus verzichten könne. Und in den Linksparteien ist im Zusammenhang mit dem Neubau des Parkings mit heftiger Opposition gegen die Anzahl der Parkplätze zu rechnen. 

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