Die jüngste US-Mannschaft aller Zeiten, aber auch eine unwiderstehliche

Gefeiert haben gleich zwei Teams einen Weltmeistertitel im Basketball: Die USA den offiziellen Fiba-Titel, Serbien den Titel über die restlichen 23 Mannschaften. Gespielt haben sie gegeneinander.

James Harden of the U.S. goes for a basket over Serbia's Nemanja Bjelica during their Basketball World Cup final game in Madrid September 14, 2014. REUTERS/Sergio Perez (SPAIN - Tags: SPORT BASKETBALL TPX IMAGES OF THE DAY) (Bild: SERGIO PEREZ)

Gefeiert haben gleich zwei Teams einen Weltmeistertitel im Basketball: Die USA den offiziellen Fiba-Titel, Serbien den Titel über die restlichen 23 Mannschaften. Gespielt haben sie gegeneinander.

Es ist ja immer schön, wenn alle etwas zu feiern haben. Als die amerikanischen Basketballer eine halbe Minute vor Spielschluss zu den Klängen von «Unbelievable» die Arme zu heben begannen, hatte Serbiens Trainer Sasha Djordjevic unter den Ovationen des Publikums schon seine Stammspieler vom Parkett genommen. Ob bei den folgenden Umarmungen, auf dem Siegerpodest mit König Felipe VI. oder im goldenen Lametta – alle feierten, weil letztlich ja alle gewonnen hatten: Amerika seine Weltmeisterschaft. Und Serbien die der anderen 23 Mannschaften.

«Silber ist für uns wie Gold», sagte Djordjevic später und bat nicht zu viel über «taktisches Zeug» reden zu müssen: zu offensichtlich war die Dominanz der USA bei diesem 129:92, mit dem sie den Schnitt ihrer neun Turniersiege auf 33 Punkte Vorsprung anhoben und die fünf WM-Titel ihres Gegners egalisierten. Jedenfalls so man Serbien als Nachfolger von Jugoslawien bezeichnen will, das 1998 und 2002 noch zweimal am Stück gewonnen hatte. Die Mannschaft von damals hätte womöglich ein engeres Match liefern können. Die von heute, ein junges Team ohne aktuellen NBA-Profi, durfte immerhin fünf Minuten lang träumen.

Erst die Serben, dann das Unwiederstehlichste, das man je gesehen hat

Viel besser spielen als sie in der Anfangsphase kann man es jedenfalls nicht. Mit der gewohnten Furchtlosigkeit balkanischer Teams brachte Serbien sein Talent auf den Court. Das vom so enigmatischen wie genialen Spielmacher Milos Teodosic orchestrierte Passspiel schien die Amerikaner zu hypnotisieren, zwei krachende Dunkings von Miroslav Raduljica und Nemanja Bjelica die Verhältnisse unter dem Korb zu klären. Serbien führte 15:7 und Amerikas hochbegabter Center Anthony Davis war bereits mit zwei Fouls belastet.

Was folgte, gehört zum Unwiderstehlichsten, was man selbst von amerikanischen Teams je gesehen hat. James Harden deutete an, warum er sich selbst als den «besten Spieler der Welt – wenn ich mein Potenzial ausschöpfe» einstuft und kämpfte sein Team mit eigentlich unmöglichen Korberfolgen heran. Die erstaunten auch die Serben soweit, dass sie erstmals Räume zuliessen, zu viele für einen Spieler wie Kyrie Irving, der Dreipunktewürfe mit einhundertprozentiger Trefferquote versenkte, während Ersatz-Center De Marcus Cousins sich in der Abwehr lustvoll mit den gegnerischen Korbwächtern balgte. Plötzlich stand es 22:15 – für die USA. Auf 35 Punkte kamen die Amerikaner noch im ersten Viertel, auf 67 in der ersten Halbzeit: damit wurden bei dieser WM etliche Spiele gewonnen.

 

US-Trainer Mike Krzyzewski stellte hinter insbesondere die Abwehrleistung von Cousins heraus, «er hat das Spiel gedreht». Das war ganz im Einklang mit seinem üblichen Diskurs von Defensive und Disziplin. Schon als das Spiel längst entschieden war, nahm er einmal Aufbauspieler Derrick Rose vom Feld, weil der ihm zu viel Firlefanz veranstaltete. «Coach K» hat seiner eigenen Mannschaft wie der übrigen Welt in den letzten Wochen erfolgreich eingebläut, dass selbst Amerika nur über harte Arbeit gewinnen kann. Doch auch die 67-jährige Legende musste letztlich zugeben: «Wir hatten in jedem Spiel dominante Zwischenspurts. Heute hatten wir einen 35-Minuten-Spurt [alle ausser die ersten fünf, d. Red.]. Es war eine Wahnsinns-Performance.»

Sie kam von einer Mannschaft, die nach langfristigen Absagen (Lebron James), kurzfristigen Absagen (Kevin Durant) und schlimmen Verletzungen (Paul George) als B-Team abgestempelt worden war. «Der süsseste aller Titel» seiner Amtszeit wäre ein Triumph in Spanien, sagte der seit 2005 über nur eine Niederlage und inzwischen 63 Siege am Stück wachende Verbandschef Jerry Colangelo vor dem Turnier. Womöglich war das Team auch deshalb so gut, weil es so mit so viel Gegenwind zu kämpfen und seinen Wert zu beweisen hatte. Der Ärger darüber, unterschätzt worden zu sein, manifestierte sich in einer Mentalität, die nicht nur die Reaktion nach dem serbischen Blitzstart befeuerte, sondern jeden strittigen Ball erkämpfte und sich Davis noch beim Stand von 104:67 über einen vergebenen Freiwurf ärgern liess.



U.S. player Kyrie Irving (C) poses after being named most valuable player after their Basketball World Cup final game against Serbia in Madrid September 14, 2014. REUTERS/Susana Vera (SPAIN - Tags: SPORT BASKETBALL)

Kyrie Irving (m.) ist zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt worden. REUTERS/Susana Vera (Bild: SUSANA VERA)


 

Das mit einem Altersschnitt von 24 Jahren jüngste Team in der Geschichte der NBA-Mannschaften (seit 1992) brachte jedoch nicht nur Motivation und Teamgeist ein – «eine Menge dieser Jungs werden für immer meine Brüder sein», sagte Irving. Es ist auch eine aussergewöhnlich talentierte Generation amerikanischer Basketballer herangewachsen. Aus einem immens tiefen Kader – «wir hatten praktisch in jedem Spiel einen anderen Star», erinnerte Krzyzewski – wurde Irving schliesslich zum wertvollsten Spieler der WM ernannt. Der 22-jährige Aufbauspieler war bereits «MVP» des letzten NBA-Allstar-Game und wird bei seinen Cleveland Cavaliers fortan mit Rückkehrer Lebron James zusammenspielen. Dort können sie dann ja ausmachen, wer als heisseste Nummer zu den Olympischen Spielen 2016 nach Rio de Janeiro fahren wird.

Spanier können froh sein

Welches Land dort die Goldmedaille gewinnen wird, ist ungleich einfacher zu prognostizieren, auch wenn sich Krzyzewski, wie immer ganz auf Demut programmiert, beharrlich weigerte, eine Lücke zwischen den USA und dem Rest der Welt anzuerkennen. Dass sich diese nach einer titellosen Phase zwischen 2002 und 2006 mit Amerikas jüngsten Gesandtschaften wieder geöffnet hat, mussten letztlich jedoch auch die einheimischen Zuschauer im Madrider Palacio de los Deportes anerkennen, die das traute Fest etwas störten, indem sie immer wieder die Entlassung von Nationaltrainer Juan Antonio Orenga forderten.

Die Enttäuschung über das Viertelfinal-Aus gegen den letztlichen Bronzemedaillengewinner Frankreich und damit die verpasste Gelegenheit zur Revanche für die gegen die USA verlorenen Olympiafinals 2008 und 2012 konkurriert im Gastgeberland immer noch mit Real Madrids Krise um die Themenhoheit an den Barhockern. Aber vielleicht sollten die spanischen Fans lieber das Positive sehen. So blieb ihnen wenigstens die Abreibung erspart, die auch ihre Spieler wohl unweigerlich verpasst bekommen hätten von diesem exzellenten «B-Team».

Eindrücklich ist die Statistik, links die USA, rechts Serbien:

62.5%
2 Points FG
62.0%
50.0%
3 Points FG
20.0%
82.8%
Free-Throws
71.4%
16
Offensive Rebounds
12
28
Defensive Rebounds
20
44
Total Rebounds
32
16
Assists
20
8
Turnover
10
4
Steals
3
7
Blocks
1
25
Fouls
27
19
Fast Break Points
15
40
Biggest Lead
8
46
Points in the Paint
56
51
Points From The Bench
34
14
Points From Turnover
12
21
Second Chance Points
15
15
Biggest Scoring Run
8
34:51
Time Leading
3:25

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Der Kader der USA im Überblick auf der FIBA-Site, und der serbische.

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