Die SBB feiern Erfolge – der Service leidet

Diese SBB! Was haben wir uns schon über die Schweizerischen Bundesbahnen ­ge­ärgert. Über chronisch überfüllte Intercityzüge, teure Tickets – und natürlich über ver­späte­te Züge. Vor allem über Letzteres kursieren unter Pendlern viele böse Anekdoten, von welchen diese noch harmlos ist: Kündigt der Wetter­bericht Schneefall, Regen oder plötzliche Temperaturschwankungen an, dann kann man seinen wichtigen Morgentermin […]

Diese SBB! Was haben wir uns schon über die Schweizerischen Bundesbahnen ­ge­ärgert. Über chronisch überfüllte Intercityzüge, teure Tickets – und natürlich über ver­späte­te Züge. Vor allem über Letzteres kursieren unter Pendlern viele böse Anekdoten, von welchen diese noch harmlos ist: Kündigt der Wetter­bericht Schneefall, Regen oder plötzliche Temperaturschwankungen an, dann kann man seinen wichtigen Morgentermin schon mal vorsorglich verschieben …

Aber wir wollen fair bleiben. Das hiesige Streckennetz zählt zu den am dichtesten be­fahrenen der Welt – da kann es hie und da zu Ver­spätungen kommen. Und Totalausfälle von Zügen, wie sie in unseren Nachbarländern oft vorkommen, sind hier eher selten.

Nie gewöhnen werden sich aber selbst treus­te Bahnfreunde an die Informationspannen in Bahnhöfen und an die Kommunikation in den Zügen: Steckt man irgendwo im Nirgendwo fest, dauert es oft quälend lange Minuten bis zur ersten nützlichen Information – falls sich über­haupt jemand meldet. Man muss es ja nicht übertreiben wie die Schaffner in den spanischen Talgos, die über jeden Kürzeststopp informieren, oder die Stewards in den französischen TGVs, die sich bei den Erstklassreisenden persönlich für verlorene Minuten entschuldigen. Aber tut es nicht gut, sich als Kunde wieder einmal wie ein König zu fühlen? Eine Zeitung angeboten und das Essen am Sitzplatz serviert zu bekommen? Das gehört in den Erstklass­abtei­len der TGVs zum guten Ton.

Ganz anders in den hiesigen Doppelstock­­wagen. Eingepfercht wie in einer Sardinen­büchse kämpft der Erstklassgast um Bein­freiheit – falls er sich überhaupt einen Sitzplatz ergattern konnte. Vom feierabendlichen ­Dichte­stress in der zweiten Klasse, winzigen Bistro-Wägen und ungepflegten Toiletten ganz zu schweigen.

Die SBB haben in den letzten Jahren das Streckennetz massiv ausgebaut, noch nie waren so viele Reisende im Zug unterwegs. Das ist ein ­Rie­sen­erfolg. Doch er hat einen Preis, wie un­se­re Titelgeschichte zeigt: Der einst gerühmte Service wird immer schlechter.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02/12/11

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