Spieler und Fans erleben in Lugano einen Abend, den sie so schnell nicht vergessen werden. Die Umstände machen die direkte Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League umso spezieller.
Nägelkauen, ungläubiges Starren auf Handys und kleine TV-Bildschirme am Spielfeldrand. Niedergeschlagenheit nach der Kunde von Sions 1:0 gegen GC. Hoffen, Bangen, verhaltener Jubel nach dem Ausgleich und umso exzessiveres Feiern nach dem Schlusspfiff in Sitten.
Die nach dem 0:1 gegen Luzern niedergeschlagene Mannschaft hatte sich nach den 93 Minuten in die Kabine des Cornaredo zurückgezogen. Sie wollte unabhängig vom Schlussresultat in Sitten vorerst unter sich sein. Umso triumphaler fiel die Rückkehr auf den Rasen aus. In T-Shirts mit der Aufschrift «Wir sind zurück in Europa» liessen sich die Spieler von den Fans – 6250 Zuschauer bedeuteten die grösste Kulisse in Lugano seit Mai 2010 – hochleben.
Ebenso euphorisiert wie die Supporter waren die Akteure der «Bianconeri». Für Eray Cümart, den zur Stammkraft gewordenen Leihspieler aus Basel, war das Umgehen der Europa-League-Qualifikation nach einer grandiosen Rückrunde «völlig verdient». Cümart: «Das hätte niemand erwartet.»
Starke Rückrunden-Bilanz
Nur der FCB holte in den 18 Spielen der zweiten Saisonhälfte mehr Punkte als Lugano (39:35). Und kein Team verbesserte sich im Vergleich mit der Vorsaison auch nur annähernd so stark wie die Tessiner. Am Ende hatten sie 18 Punkte mehr auf dem Konto als vor einem Jahr.
Deutlicher als Cümart drückte sich Davide Mariani aus. Den Seitenhieb an die finanziell besser aufgestellten Teams aus Sitten und Luzern konnte sich der Zürcher nicht verkneifen. «Ich verstehe all jene nicht, die vier oder fünf Runden vor Schluss bereits etwas gewonnen haben wollen», so der Mittelfeldspieler. «Wir haben nie Sprüche geklopft und Ziele bekanntgegeben. Wenn andere mit Geld um sich werfen, kommt das bei uns in Form von positiver Energie zurück.»
Was verursacht die Dreifachbelastung?
Die knapp drei Millionen Franken für die fixe Europa-League-Teilnahme kann Lugano gut brauchen. Die Verträge von acht Leihspielern laufen aus, es wird zu einigen Veränderungen im Kader kommen. Die Dreifachbelastung mit Meisterschaft, Europacup und Schweizer Cup wird unweigerlich dazu führen, dass das Kader vergrössert werden muss.
Noch unklar ist, ob Paolo Tramezzani Trainer bleibt. Im Trubel wollte sich der in der Winterpause geholte Italiener nicht zu seiner Zukunft äussern, die ihn angeblich nach Sitten führen soll. «Es ist der falsche Moment, um darüber zu diskutieren.»
Heimspiele in Luzern
In der Europa League wird Lugano – ein Jahr nach dem knapp vermiedenen Abstieg unter Zdenek Zeman – als absoluter Aussenseiter gelten. Bei der Auslosung zur ersten Europacup-Kampagne seit 15 Jahren (Qualifikations-Out gegen den lettischen Vertreter Ventspils) wird der Dritte der Super League als Team mit einem sehr tiefen UEFA-Koeffizient die letzten Ränge in Topf 4 belegen. Die (vorerst) drei Heimspiele wird Lugano in Luzern austragen, weil das Cornaredo längst nicht mehr dem internationalen Standard entspricht.