Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Auch zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes ist diese Forderung noch nicht erfüllt. Das Gesetz habe nicht genügend Wirkung gezeigt, sagen Experten. Der neue Vorschlag des Bundesrats könne das ändern.
200 Teilnehmer zogen am Donnerstag an einem Kolloquium in Neuenburg Bilanz zum Gesetz über die Gleichstellung von Mann und Frau. Seit es dieses gebe, habe es zwar nicht sehr viele Gerichtsfälle gegeben, sagte Sylvie Durrer, Direktorin des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG), vor den Medien. Das Gesetz habe aber einen präventiven Effekt.
Viele Streitfälle würden aussergerichtlich beigelegt, sagte Durrer. Doch sei es in der Schweiz nicht einfach, sich gegen den Arbeitgeber zu stellen. Zudem muss das Opfer die Diskriminierung belegen können. Das könne schwierig sein, gab Rechtsprofessor Jean-Philippe Dunand zu bedenken.
Positiv beurteilt Durrer die neuen Massnahmen, die der Bundesrat kürzlich im Kampf gegen Lohndiskriminierung vorgeschlagen hat. Er will Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden dazu verpflichten, alle vier Jahre die Löhne zu analysieren. Prüfen müssten die Firmen, ob Frauen und Männer gleich viel verdienen.
Zaghaft, aber ausgewogen
Eine entsprechende Änderung des Gleichstellungsgesetzes ist derzeit in der Vernehmlassung. Staatliche Lohnkontrollen und Sanktionen sind nicht geplant. Der Vorschlag könne zaghaft erscheinen, aber er sei ausgewogen, sagte Durrer.
Die Gegner der Gesetzesänderung verschafften sich in den Medien zwar lautstark Gehör. Doch viele Unternehmen seien offen für solche internen Lohnanalysen, sagte Durrer. Und auch wenn keine Sanktionen vorgesehen sind, könne sich das Opfer bei einer Klage auf die Lohnanalyse stützen.
Weniger optimistisch äusserte sich Claudia Kaufmann, die erste Gleichstellungsbeauftragte des Bundes. Die Gesetzesänderung könne zwar eine Debatte auslösen, sagte sie im «Tagesgespräch» von Radio SRF. «Sie ist aber nicht ein taugliches Mittel, das alleine die Lohngleichheit sehr befördern wird.»
Dass der Staat Massnahmen vorschreibt, findet sie richtig. «Der Bundesrat hat mehrere Jahre lang auf Dialog gesetzt, doch nur wenige Firmen haben mitgemacht», sagte sie mit Verweis auf den Lohngleichheitsdialog.
Noch nicht am Ziel
Seit dem Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes sei sehr viel erreicht worden, doch sei man noch lange nicht am Ziel, bilanzierte Kaufmann. Noch immer verdienen Frauen und Männer nicht gleich viel. Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) betrug die Lohnungleichheit 2012 in der Privatwirtschaft 18,9 Prozent, im öffentlichen Sektor waren es 13,6 Prozent.
Ein Teil dieser Lohndifferenz lässt sich erklären, etwa mit Unterschieden bei Bildung und Dienstjahren. Immerhin fast 40 Prozent des Unterschieds sei hingegen nicht begründbar, heisst es in der Medienmitteilung des EDB.
Kritiker monieren, dass die Lohndiskriminierung verschwinden würde, wenn beim Lohnvergleich weitere Faktoren berücksichtigt würden. Eine im November veröffentlichte Studie kam aber zum Schluss, dass ein erheblicher Teil der Lohnunterschiede auch mit zusätzlichen Faktoren unerklärbar bleibt.