Da glaubt man, ganz Basel schwimme schon im Rhein. Mit dem 33. Basler Rheinschwimmen wollen die Organisatoren trotzdem immer noch mehr Menschen dafür begeistern. Und sie etwas erziehen.
Das offizielle Basler Rheinschwimmen geht am Dienstagabend um 18 Uhr in die 33. Runde. Wie man der zugehörigen Info-Broschüre entnehmen kann, halten es die Organisatoren von der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) Sektion Basel und den Basler Rettungskräften tatsächlich immer noch für einen sinnvollen Zweck, «das Schwimmen in einem natürlichen Gewässer populärer zu machen.» Für Basler Rheinschwimmer liest sich das wie ein schlechter Witz.
Populärer kann das Rheinschwimmen kaum noch werden. Der Rhein ist im Sommer so etwas wie die flüssige Variante der Steinen: Sehen und gesehen werden für Kreti und Pleti. Der Rhein ist voll. Schulter an Schulter sitzt man unter Baslern und Touristen aus aller Welt am Rheinufer oder schliesst sich dann und wann der riesigen Wanderschar an, um irgendwo zwischen Kaserne und Solitudepark Abkühlung im kalten Nass zu finden – umringt von Dutzenden.
«Vom eigenen Erfolg überrollt»
Es ist nicht so lange her, da hätte niemand freiwillig auch nur seine Zeh in den Rhein gehalten. Bis in die 80er-Jahre hinein war der Rhein schlicht zu schmutzig. Auch die gut dreissig Tonnen Chemikalien, die durch den Schweizerhalle-Vorfall von 1986 in den Rhein geraten waren und sämtliches Leben unter Wasser vernichtet hatten, wirkten lange schlecht für das Image des Rheins. Anziehungskraft übte das Rheinufer danach nur auf Stadtbewohner aus, die an anderen Orten nicht erwünscht waren.
Irgendwann wollte die Regierung diese nicht mehr hinnehmen. Die ersten Buvetten anfangs Jahrtausend sollten im Zuge des Aktionsprogramms Stadtentwicklung Basel (APS) den «negativen Auswirkungen der ‹unkontrollierten› Szenen am Rheinufer» ein Ende setzen, wie aus einem Projektbeschrieb des Zentrums Öffentlichen Raum (ZORA) hervorgeht. Die 2002 in Betrieb genommene Buvette bei der Kaserne trug, vielleicht gemeinsam mit dem Wickelfisch, viel zum Rheinschwimmer-Boom der letzten zehn Jahre bei. Heute sieht man sich beim Tiefbauamt laut dessen Sprecher André Frauchiger «vom eigenen Erfolg überrollt.»
Gefährliches Fehlverhalten
Diese Gattung ist erst vor elf Jahren im Rhein aufgetaucht – und nicht mehr aus dem Fluss wegzudenken. » Lesen
Die damit gemeinten Menschenmengen, die sich am Rhein vergnügen, bringen die Behörden ins Schwitzen. Denn was auf dem Fluss schwimmt, seien es Bojen oder geschichtsträchtige Weidlinge, wird oft und gerne als Spiel-Attraktion interpretiert. Fährenstege, Rheinufer und Brücken mutieren zu Sprungtürmen. Und die für Wasserskifahrer bestimmte Sprungschanze, vor vier Jahren für stolze 45’000 Franken restauriert, wurde eben erst unter der Last einiger Rheinbesucher versenkt, weil sie einige als Badeinsel zweckentfremdet hatten. Vom Warnsignal «Lebensgefahr» waren sie offenbar nicht beeindruckt.
Wo sich viele Menschen am und im Wasser aufhalten, kann auch mehr passieren. Deshalb hat die Kantonspolizei, die Berufsfeuerwehr und das Grenzwachtkorps «zur Sicherheit aller im und auf dem Rhein ihre Patrouillentätigkeit auf dem Wasser verstärkt», wie es in einer Medienmitteilung heisst. Was der verstärkte Patroullien-Einsatz kostet, darüber gibt das Sicherheitsdepartement keine Auskunft. Man kann sich vorstellen: es ist viel.
Je nach Situation greifen die Mitarbeiter auf den Patroullien-Booten auch ein, wenn jemand gegen klare Regeln verstösst oder gerade mal wieder ein Weidling von einer Gruppe besetzt wird. Hauptaufgabe bleibt aber, präventiv gefährliche Situationen zu entschärfen und in Notfällen zu retten. Zuletzt war dies am vergangenen Wochenende nötig, wie die Polizei mitteilte. Ein Mann wollte unterhalb der Johanniterbrücke von der Grossbasler- auf die Kleinbaslerseite schwimmen, erlitt dabei einen Krampf und wurde vom Patroullien-Boot aus dem Wasser gezogen.
Viele Regeln und Empfehlungen
Damit möglichst nichts passiert, gibt es neben gesetzlichen Regeln (Stichwort Brückenspringen) zahlreiche Empfehlungen der Polizei und der SLRG, wie man Gefahren im Rhein aus dem Weg gehen kann. Vielleicht zu viele. Selbst der Präsident der SLRG Sektion Basel, Christian Senn, kennt sie in einem Interview im GemeindeTV Reinach «nicht auswändig». Dafür bestätigt er den Eindruck der Moderatorin, dass «eigentlich alles auf den gesunden Menschenverstand» hinauslaufe.
Vom Kanton veröffentlichtes Video mit Regeln zum Schwimmen im Rhein.
Gerade am gesunden Menschenverstand durfte diesen Sommer immer wieder gezweifelt werden, wenn man beobachtete, wie sich gewisse Rheingänger ohne Rücksicht auf Verluste am Fluss austobten. Andreas Knuchel, Sprecher vom Sicherheitsdepartement, will in einem Telefongespräch mit der TagesWoche zunächst nichts von einer «Verrohung» der Sitten wissen. Stattdessen betont er, dass sich viele an an die Verbote und Empfehlungen der Behörden und der SLRG halten würden.
Nachdem Knuchel jedoch Rücksprache mit den internen Experten gehalten hatte, berichtet er von einer anderen «Tendenz». Man habe festgestellt, «dass die Schwimmerinnen und Schwimmer vermehrt auf das richtige Verhalten und die Regeln beim Rheinschwimmen aufmerksam gemacht werden müssen», schreibt Knuchel. Für die diesjährige Saison lägen zwar noch «keine konkreten Zahlen zu den Rheinrettungen» vor. Es sei jedoch eine «zunehmende Tendenz bei den Rettungen aus dem Rhein festzustellen.»
Sicher beim Basler Rheinschwimmen
Ganz im Zeichen der Sicherheit steht auch das 33. Basler Rheinschwimmen. Auf der ersten Seite der Infobroschüre wird man noch vor den üblichen Höflichkeitsfloskeln des Regierungspräsidenten Guy Morin und des OK-Präsidenten Christian Senn mit einem «Achtung» und ersten Anweisungen begrüsst. Es folgen weitere 21 «wichtige Regeln für Rheinschwimmende» in der Wegleitung, sechs «SLRG Baderegeln», weitere sechs «SLRG Flussregeln» und ein elf Seiten starkes Kapitel «Gefahren für Schwimmende an und in Fliessgewässern», letzteres wenigstens reichlich bebildert.
Wer sich bis zum Start des Rheinschwimmens nicht ganz alles einprägen kann – nicht so schlimm. Rund 6000 andere Schwimmer werden mitschwimmen, zudem zahlreiche freiwillige Rettungschwimmer sowie Boote der Rheinpolizei und der Wasserfahrvereine. Auch ein Sanitätsdienst steht bereit. Da dürfte wirklich nichts schief gehen.