«Die Zürcher Stadtpräsidentin diskriminiert»

Die Tage der Literaturausstellung im Museum Strauhof in Zürich sind gezählt: Er wird per Ende 2014 geschlossen. Das Haus ab 2015 als Junges Literaturlabor (JULL) genutzt werden. Die Fokussierung passt nicht allen. Im Gegenteil. Schriftstellerin Nimet Sahin sieht eine Instrumentalisierung der Jugend. Ein Gastbeitrag. Pseudohilfe leistet Stadtpräsidentin Corinne Mauch mit ihrem JULL-Projekt den Jugendlichen und […]

Das Strauhof-Literaturmuseum in Zürich: Ab 2015 soll es als Literaturlabor für Jugendliche dienen.

Die Tage der Literaturausstellung im Museum Strauhof in Zürich sind gezählt: Er wird per Ende 2014 geschlossen. Das Haus ab 2015 als Junges Literaturlabor (JULL) genutzt werden. Die Fokussierung passt nicht allen. Im Gegenteil. Schriftstellerin Nimet Sahin sieht eine Instrumentalisierung der Jugend. Ein Gastbeitrag.

Pseudohilfe leistet Stadtpräsidentin Corinne Mauch mit ihrem JULL-Projekt den Jugendlichen und vor allem denen aus den sogenannten bildungsfernen Schichten, oktroyiert ihnen, so grosszügig und warmherzig wie sie ja scheint zu sein, Literatur auf! Ob die Emporkömmlinge es wollen oder nicht. Ein Muss! Sie werden einfach hilflos für eigenen Zweck instrumentalisiert.

Was die Pädagogen – aus welchem Grund auch immer – nicht geschafft haben, sollen die Künstler ein Wunder wirken?

In ihrem Labor soll nur eifrig getextet und nicht gelesen werden! Wie soll das Schreiben ohne Lesen funktionieren?

Ein Unding!

Peitschenhiebe dagegen für alle anderen, denn die haben kein Recht mehr auf Bildung. Allein ihr Interesse an der Literatur reiche vollends aus! Mehr darf ab Ende 2014 nicht mehr drin liegen. Die gnadenlose Übermutter lässt ihre Bevölkerung seelisch verhungern. Denn das Literaturmuseum ist die Nahrung, mit der Schliessung liesse man die Leute verhungern.

Je dümmer die Bevölkerung, desto einfacher das Regieren. Und diese warmherzige Frau ist auf dem besten Wege dazu. Ein gelungener Auftakt. Herzlichen Glückwunsch!

Bei einer Analyse habe sie festgestellt, dass vermehrt die älteren Leute das Strauhof-Museum besuchen, genau dies wolle sie nicht mehr. Der Fokus soll auf die Jugend gerichtet werden. Was für Sätze und welche Diskriminierung! Allein bei diesen Sätzen müsste die Bevölkerung empört auf die Strasse gehen und dagegen protestieren. Diese Strafe hat niemand verdient!

Das Strauhof-Museum ist ein Bildungsort für alle, für diejenigen, die keine Ahnung haben, die sich ein wenig und ein bisschen sehr auskennen, doch niemand kann in diesem Fach behaupten, er oder sie kenne sich aus. Je mehr man weiss, desto mehr weiss man, dass man nichts weiss, umso mehr ist die Bevölkerung auf dieses Museum angewiesen. Zumal das Museum nicht nur Literatur, sondern indirekt auch Geschichte vermittelt.

Anstatt ernsthaft evaluieren, präsentiert sie kurzerhand krude Projekte – wie soll man dem Glauben schenken? – ob das Verfahren tauglich ist, soll nach zwei Jahren beurteilt werden. In der Hoffnung das Projekt scheitert dann und dafür stehen die Sterne ziemlich günstig, das weiss die Stadtpräsidentin, deren Kulturchef, und das weiss auch die Bevölkerung. Damit wäre mit einem Klapp einiges gespart und das intendierte Ziel prompt erreicht.

Sie erntet Protest und Kritik. Dabei könnte sie diese verzwickte Situation zu ihrer Gunst nutzen, Grösse zeigen und gewinnen, indem sie einfach alles beim Gehabten liesse. Das Museum könne ja den Sonderklassen vermehrt Führungen anbieten. Nach diesen Stimulierungen sollten vielleicht doch eher müssten die Emporkömmlinge mit ihrer Lehrkraft sich intensiv mit der aktuellen Ausstellung in ihren gewohnten Räumen befassen: Eifrig lesen und texten.

Finanzielle Entlastung gäbe es ja für die Stadt auch, die private Trägerschaft könne das Museum mit unterstützten und insofern dürften die Ausstellungen nicht einmal verringert werden.

Und keine der Beteiligten müssten in diesem Gewirr mit geneigtem Haupt den Schauplatz verlassen.

Diese Stadtpräsidentin hätte keine gewöhnliche Politikerin werden sollen, das Volk schöpfte damals bei ihrer Wahl, aus ihrer unkonventionellen Vergangenheit, Hoffnung, sie erweckte damit Erwartungen. Sie hätte eine werden sollen, die mühelos und ganz selbstverständlich sagte: «Wer bin ich, dass ich mir nicht widersprechen kann.»

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