Diego Benaglio über Wolfsburgs Bedeutung und Monacos Argumente

Mit 33 ist Diego Benaglio bereit für eine neue Herausforderung. Im SDA-Interview spricht der frühere Schweizer Nationalkeeper über seinen Transfer von Wolfsburg zum französischen Champion Monaco.

Mit 33 ist Diego Benaglio bereit für eine neue Herausforderung. Im SDA-Interview spricht der frühere Schweizer Nationalkeeper über seinen Transfer von Wolfsburg zum französischen Champion Monaco.

Bereits im Sommer vor einem Jahr hat der europäische Topklub eine Offerte für den VfL-Captain deponiert, nun intensivierten die Monegassen ihre Bemühungen und engagierten den Zürcher bis 2020. Ende Juni beginnt für Benaglio nach 259 Bundesliga-Partien an der Côte d’Azur eine neue Herausforderung. «Eine reizvolle Aufgabe und Chance zugleich, die ich natürlich wahrzunehmen versuche.»

Der Kontakt zur Wolfsburger Organisation wird nach fast zehnjährigem Engagement nicht abreissen. Sein Haus in der niedersächsischen Industriestadt veräussert Benaglio nicht, eine gemeinsame Zukunft nach dem Karriereende ist angedacht.

Vorerst steht die rasche Ankunft im Fürstentum im Zentrum: «Ich hoffe, dass ich schnell Tritt fasse und wieder vertraut sein werde mit der französischen Sprache.» Geschenkt wird dem ersten Schweizer Ligue-1-Keeper seit Joël Corminboeufs Strassburger Gastspiel (1993 bis 1994) nichts; der kroatische Goalie Danijel Subasic wird auf seinen Nummer-1-Status pochen.

Warum Monaco? Für die «Süddeutsche Zeitung» sind Sie der «ewige Torhüter des VfL Wolfsburg», eine Klubikone, der Rekordspieler des Vereins.

«Der Entscheid, Wolfsburg zu verlassen, fiel mir in der Tat unheimlich schwer. Hinter mir liegt eine lange und unglaublich intensive Zeit beim VfL. Wolfsburg wurde zu unserer Heimat. Meine Kinder sind hier geboren, die Stadt ist unser Zuhause.»

Im Sommer vor einem Jahr haben Sie als Captain beim VfL bis 2019 verlängert.

«Aber ich glaube, der Moment, in meiner Karriere nochmals eine grosse Herausforderung anzunehmen, ist der richtige. Dieser Gedanke reifte während Monaten.»

Monaco muss gute Argumente bieten.

«Mich haben die Gespräche überzeugt, der Klub hat hohe Ambitionen und exakte Vorstellungen. Es war wichtig zu hören, wie die Verantwortlichen mich in diesem Projekt sehen, was sie vorhaben mit mir. Die Challenge wird spannend und ich bin bereit, mich ihr zu stellen.»

Nochmals zurück zu Ihrer fast zehnjährigen Ära in der Bundesliga. Was prägte Sie, was bleibt haften?

«Unter dem Strich alles. Es ist unmöglich, einen einzelnen Moment herauszuheben. Klar, der Gewinn der Meisterschaft und der Cupsieg lösten gewaltige Emotionen aus. Abgespeichert sind aber auch die schwierigen Zeiten, die wir gemeinsam bewältigt haben. »

An was denken Sie konkret?

«Der Tod von Junior Malanda bewegte uns Spieler und den gesamten Verein extrem, das war ein unfassbar schwerer Abschnitt. Es war für alle Beteiligten schwierig, mit dieser belastenden Situation klarzukommen. Zweimal kämpften wir um die sportliche Existenz, zweimal gelang uns in letzter Minute die Rettung. Das gemeinsame Trauern, die vorübergehenden Zukunftsängste, die gemeinsame Erlösung, das sind Abschnitte, die man nie vergessen wird.»

Ein Comeback in der Organisation von Wolfsburg nach der Laufbahn ist offenbar denkbar.

«Der Klub signalisierte sofort, mir nach Abschluss meiner Karriere eine Rückkehr in anderer Funktion anzubieten. Das freut mich riesig, ein solche Reaktion ist keine Selbstverständlichkeit. Ich hoffe sehr, dass wir es hinbekommen, die Pläne dereinst zu verwirklichen. Meine Verbundenheit zum VfL wird gross bleiben.»

Monaco hat in den vergangenen Tagen kräftig investiert, um weiterhin europäisch für Furore sorgen zu können. Welche Ziele peilen Sie an, wie ist Ihre Ausgangslage?

«Das Team kommt aus einer überragenden Saison. Sie haben den Titel gewonnen in Frankreich, in der Champions League erreichte Monaco den Halbfinal. Die Qualität ist vorhanden, langfristig einer der härtesten Konkurrenten von Paris Saint-Germain zu sein, dem für mich ein ähnlicher Status wie Bayern München zukommt.»

Danijel Subasic ist derzeit die Nummer 1. Der kroatische Nationalgoalie spielt seit Jahren für die Monegassen – wie beurteilen Sie Ihre Ausgangslage?

«Zum einen spielte Subasic eine überragende Saison, andererseits gibt es für den Coach nach dem Titelgewinn und dem europäischen Höhenflug keine Veranlassung, während der Sommerpause alles umzukrempeln. Grundsätzlich will der Klub zwei Spieler auf der Goalieposition haben, die sich auf ähnlichem Level bewegen. Eine solche Konstellation streben die meisten europäischen Topvereine an.»

Ihre Rolle ist noch nicht klar definiert?

«Es geht für mich nun darum, mich so schnell wie möglich gut zu integrieren und meine langjährige Erfahrung einzubringen. Ich werde versuchen, täglich mein bestes Niveau abzurufen. Alles andere liegt nicht in meinen Händen.»

Mit welchen persönlichen Ambitionen wechseln Sie in die Ligue 1?

«Ich war nie der Typ, der öffentlich etwas eingefordert hat. Ich habe habe immer im Sinn der Mannschaft gehandelt und probiert, die Leute mit Leistung zu überzeugen. Wenn ich allerdings den Ehrgeiz nicht mehr hätte, selbst mit 33 Jahren jeden Tag Fortschritte zu machen, dann wäre ich fehl am Platz – den Hunger habe ich nie verloren.»

Es kommt zu Wiedersehen mit Lucien Favre.

«Lucien Favre beeindruckt mich. Er vermittelt sein Wissen unglaublich gut. Die letzte Saison mit Nizza zeigte einmal mehr, dass er seine Philosophie fast 1:1 auf ein Team übertragen kann. Wie sich sein Klub innert Kürze entwickelt hat, spricht natürlich für seine Arbeit. Für ihn wird in Deutschland immer wieder eine Tür aufgehen, er geniesst einen erstklassigen Ruf.»

Von Ihnen war in Wolfsburg trotz der zweimaligen Degradierung zum Ersatzkeeper nie ein negatives Wort zu hören. Sie gelten als der perfekte Teamplayer.

«Ich bin der Meinung, dass es im Mannschaftssport darum geht, die zugeteilte Rolle am Ende so gut wie nur möglich auszufüllen. Klar ist es mir äusserst schwer gefallen in Wolfsburg, nach bald zehn Jahren einen anderen Status zu akzeptieren, plötzlich draussen zu sitzen, nicht mehr aktiv mithelfen zu können im Abstiegskampf. Aber man kann sich auch in anderer Form nützlich machen. Und wichtiger als alles andere ist: Wolfsburg spielt auch in der nächsten Saison in der Bundesliga.»

Ortswechsel. Monaco, ein exquisiter Fussball-Stadtstaat an bester Lage, ein Verein mit erstklassigem finanziellen Background.

«Ich habe einen hervorragenden Eindruck erhalten. Der Verein ist perfekt aufgestellt, die Infrastruktur lässt keine Wünsche offen. Die Bedingungen sind vorhanden, um auch in Zukunft vorne mitspielen zu können. Ich freue mich darauf, eine neue Liga zu entdecken, nach so vielen Bundesliga-Jahren nochmals eine andere Mentalität kennen lernen zu dürfen.»

Freut sich die Familie mit?

«Wir werden direkt im Zentrum wohnen. Die Gegend ist wunderschön, wir freuen uns auch als Familie auf den neuen Abschnitt. Auf uns kommt in jeder Beziehung eine spannende Geschichte zu.»

Nächster Artikel