Er schläft zur Not im Sattel und setzt mit seinem Colt mehr Ganoven ausser Gefecht, als es darin Kugeln hat: Lucky Luke, der Mann, der schneller zieht als sein eigener Schatten, ist nicht nur ein ballistisches Wunder, sondern eine zivilisatorische Lichtgestalt.
Ob Desperados, kriminelle Sheriffs, korrupte Bürgermeister oder blutdürstige Indianer – der vom Glück begünstigte Luke ist der Amoral immer einen Tick voraus und pulverisiert Waffen genauso zielsicher wie die abgefeimten Pläne seiner Widersacher. Weshalb sein Wilder Westen so kinderstubenrein ist, dass ihn Leserinnen und Leser jeglichen Alters kennen und lieben.
Bis sich die schlaksige Silhouette des einsamen, armen Cowboys (so die gesungene Eigendefinition) vor rotem Sonnenuntergang in das kollektive Gedächtnis brannte, dauerte es allerdings seine Zeit. 1946 schickte der belgische Zeichner Maurice «Morris» de Bevere seinen Cowboy erstmals auf Abenteuer, noch ziemlich speckig im Gesicht. Von Anfang an dabei: sein treuer, unpaarhufiger Gefährte, Jolly Jumper, gegen den Luke schon einmal eine Partie Schach verliert.
Kreative Blutsbruderschaft
Zwei Jahre nach Lucky Lukes Debüt reiste Morris mit den befreundeten Zeichnern Jijé («Jerry Spring») und André Franquin («Gaston») in die USA, wo er sechs Jahre blieb. Während seines Aufenthaltes sah er nicht nur fleissig Wild-West-Filme, er dokumentierte auch, was vom Mythos übriggeblieben war. Vor allem aber traf er in René Goscinny einen kreativen Blutsbruder, der vor seinem Welterfolg mit «Asterix und Obelix» die tapfere Rothaut «Umpah-Pah» auf den Kriegspfad geschickt hatte.
Von 1955 an bis zu seinem Tod 1977 schrieb Goscinny die Texte für die Lucky-Luke-Alben. Die geistreichen Dialoge und Morris’ tiefenentspannter Strich verliehen den Geschichten ihren unvergleichlichen Charme, von dem die Serie bis heute lebt.
Natürlich hat sich die Titelfigur im Laufe der Zeit gewandelt: Während Luke die originalen Daltons unter die Erde brachte, begnügte er sich später damit, ihre vier Vettern ins Kittchen zu verfrachten. Statt Alkohol bestellte er bald Limo, und seit 1983 ist Luke Nichtraucher. Nur was Frauen angeht, war der Cowboy schon immer abstinent.
Lucky Luke gibt es heute als Zeichentrick- und Realverfilmung (mit Terence Hill), Videospiel – und weiterhin als Comic: Vor seinem Tod 2001 hatte Morris verfügt, dass die Serie ohne ihn fortgesetzt werden soll. Der nächste Sonnenuntergang folgt bestimmt.