Do heschs Gschängg 4- Der Film wie im Buch

Wie legt man dem Filmaficionado ein Kino unter den Weihnachtsbaum? Da Film im Kopf stattfindet, ist am besten immer noch ein – Buch. Lichtspiel-Bücher führen zwar in Buchhandlungen ein Schattendasein. Trotzdem ist nichts ist erhellender, als zwischen zwei Buchdeckeln im grossen Kino zu schwelgen. In loser Folge deshalb ein paar Filmbuchtipps. Francois Niney ist Dozent […]

Wie legt man dem Filmaficionado ein Kino unter den Weihnachtsbaum? Da Film im Kopf stattfindet, ist am besten immer noch ein – Buch. Lichtspiel-Bücher führen zwar in Buchhandlungen ein Schattendasein. Trotzdem ist nichts ist erhellender, als zwischen zwei Buchdeckeln im grossen Kino zu schwelgen. In loser Folge deshalb ein paar Filmbuchtipps.

Francois Niney ist Dozent an der Sorbonne Nouvelle. Wer also noch ein Frage zum Thema Film hat, liegt bei ihm richtig. Doch wer möchte schon eine Frage zum Dokumentarfilm stellen? Niney gibt erschöpfende Antworten. Aber sie faszinieren: Mit fast jeder Antwort auf die 50 Fragen zur „Wirklichkeit des Dokumentarfilms» verschafft er einen tieferen Einblick in die Gesetze des Filmemachens, als es manch einer beim Filmbetrachten schafft. Niney führt die Tradition der grossen französischen Film-Theoretiker weiter, indem er sie alltagstauglich macht.

Wie macht man einen Film ohne Drehbuch, ohne Kulissen, ohne Schauspieler? Ist der Dokumentarfilm Kino? Ist Fiktion Lüge? Was ist, wenn das Objektiv(e) subjektiv wird? Ist sehen auch wissen? Woher kommt der Kommentar im Film? Sind die Unbeobachteten im Dokumentarfilm wirklich Unbeobachtete. Wo beginnt die Inszenierung im scheinbar nur Beobachteten? Wie entziffert man das autochthone Spiel? Ist Fiktion Lüge?

Wo immer man mit Niney auf  Abwege gerät, rückt man dem Schauen wieder ein bisschen näher, und kommt vom Glotzen ab. Vor allem seine Querverweise, etwa in die Linguistik, machen klar, wie verbindend die Filmwissenschaft für unsere Wirklichkeitsauffassungen sein kann. Weil sie eben den künstlerischen Blick und den wissenschaftlichen Diskurs verbinden muss.

Bei aller Abgehobenheit seines Diskurses scheut er aber auch nicht, sich den anarchischen Formen der Dokufiktion zu nähern. Etwas nutzt er Sasha Baron Cohens «Borat», um anhand der anarchistischen Interventionen (immerhin hatte die Polizei einundneuzigmal eingeggriffen) die analytische Unterscheidung des Wahren und des Falschen weiterzuführen, wie «Fake» es einst initiierte.Wer Niney in seinen Argumentationen zum Film folgt, wird vergnüglich in die Philosophie verstrickt. Die Suche nach Wirklichkeit, die die Filmer immer umtrieb, stellt er gegen die Suche nach Wahrheit.

Er bietet keine leichte Kost. Nein. Ihrem Neffen sollten Sie es vielleicht erst schenken, wenn er danach fragt, ob er mal den Directors Cut von «Citizen Kane» sehen dürfe. Aber dann ist er definitiv so weit. Niney lehrt ihn dann, den Blick mit anderen zu teilen. Die Sehweise anderer einnehmen zu können, das unterscheidet uns am deutlichsten von allen anderen Lebewesen, neben der Sprache und der Fähigkeit, unsere Erinnerungen zu teilen. In Bildern.

Nächster Artikel