«Drive» und «Black Mirror»

Ein Film und eine kleine Serie für die stille Zeit zwischen den Jahren. Unbedingt anschauen. (Die Fäuste: bei 00:56) Kann sich jemand an die Szene in «Miami Vice» von Michael Mann erinnern? Jene grossartige Szene, in der Jamie Foxx und Colin Farrell in ihrem Maserati sitzen, sich kurz in die Augen schauen und sich dann […]

Ein Film und eine kleine Serie für die stille Zeit zwischen den Jahren. Unbedingt anschauen.

(Die Fäuste: bei 00:56)

Kann sich jemand an die Szene in «Miami Vice» von Michael Mann erinnern? Jene grossartige Szene, in der Jamie Foxx und Colin Farrell in ihrem Maserati sitzen, sich kurz in die Augen schauen und sich dann – die Katastrophe vor Augen – mit ihren Fäusten abklatschen? Es war die Essenz dieses atemberaubenden Films über zwei verlorene Männer und ihre Unfähigkeit zur Liebe. Als sich die beiden Fäuste kurz über dem Schaltknüppel berührten, da dachte man, so schlimm kann das alles nicht sein (war es dann natürlich doch). Auch in «Heat», ebenfalls von Michael Mann, gab es so eine Szene, als Robert de Niro seiner neuen Freundin den Tod seines besten Freundes mit den Worten «It rains… you get wet» verkündete und man die Luft scharf nach oben ziehen musste, um nicht gleich loszuheulen.

«Drive» von Nicolas Winding Refn handelt vom gleichen Typus Mann. Vom verlorenen, vom verlassenen, vom verzweifelten. Aber im Gegensatz zu «Miami Vice» oder zu «Heat» gibt es in «Drive», der momentan in den Kinos läuft, keine sanft aufeinanderklatschenden Fäuste, keine Freundin, bei der man wenigstens ein bisschen loslassen könnte. Keine Aussicht auf Erlösung.

Nein. «Drive» ist nur verloren. Unendlich verloren. Unendlich einsam. Und unfassbar gut. Schon die literarische Vorlage von James Sallis (auf Deutsch unter dem Titel «Driver» erhältlich) war derart genau und berührend und traurig, das es einem den Atem nahm. Aber der Film?

Ryan Gosling fährt in seiner absurden Skorpion-Jacke durch das nächtliche Los Angeles, kaut an einem Zahnstocher und man denkt. Ach. Warum nur. Er sagt nicht viel, dieser Driver, er sagt eigentlich nichts. Einmal, es ist das Äquivalent zur Fäuste-Szene in «Miami Vice» allerdings mit umgekehrter Konnotation – lässt Gosling sein Lenkrad los und fasst sich mit beiden Händen ins Gesicht. Er muss nichts sagen.

Wer «Drive» überstanden hat, dem sei zur Ergänzung die Mini-Serie «Black Mirror» von Charlie Brooker ans Herz gelegt. Brooker nimmt unsere digitale Welt und denkt sie, als englischer Dürrenmatt sozusagen, bis zum bitteren Ende. Drei Episoden sind bisher erschienen und sie sind allesamt mindestens so verstörend und gescheit wie der verlassene Ryan Gosling im verlassenen Los Angeles.

Episoden 1 und 2 von Black Mirror lassen sich auf Youtube online nachschauen. Episode 3 sollte bald folgen.

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