Die Anlagestiftung Ethos und die Aktionärsvereinigung Actares wollen dem Novartis-Verwaltungsrat an der GV vom Freitag die Décharge verweigern. Vasellas Millionen-Entschädigung sei den Aktionären nicht korrekt kommuniziert worden. Der frühere Tessiner Staatsanwalt Paolo Bernasconi fordert gar Ermittlungen gegen Novartis.
Actares will damit dem Verwaltungsrat klar signalisieren, dass man mit dem Entscheid nicht einverstanden ist. Die Aktionärsvereinigung ist sich aber durchaus bewusst, dass die Aktionäre an der Generalversammlung nicht direkt über die 72 Millionen Franken für Vasellas Konkurrenzverbot abstimmen können.
Dass diese Zahlung überhaupt bekannt wurde, sei nur durch Zufall oder Indiskretion zustande gekommen, sagte Actares-Direktor Roby Tschopp am Sonntag der Nachrichtenagentur sda zu einer Meldung der «SonntagsZeitung». Das sei skandalös, denn die Aktionäre müssten zuerst informiert werden, bevor sie einem Verwaltungsrat die Décharge erteilten.
Einige Aktionäre hätten ihre Stimme elektronisch abgegeben, bevor die Millionenzahlung publik wurden. In Kenntnis des entsprechenden Vertrages würden sie vielleicht anders entscheiden, aber sie könnten ihre Stimme nicht mehr zurücknehmen, erklärte Tschopp.
Ethos fordert Annullierung des Vertrags
Gleicher Ansicht ist auch die Anlagestiftung Ethos. Das Verhalten von Novartis‘ Verwaltungsrat widerspreche den Prinzipien der guten Unternehmensführung, sagte Sprecher Christophe Hans der sda. Es verstosse zudem gegen die Sorgfaltspflicht, die gebiete, richtig mit den Aktionären zu kommunizieren.
Ethos will deshalb an der GV nicht nur die Décharge für den Novartis-Verwaltungsrat verweigern, sondern auch eine Annullierung des Vertrages betreffend Vasellas Entschädigung fordern. Das Verweigern der Décharge bedeutet, dass die Entscheidungen des Verwaltungsrates nicht in rechtlichem Sinne von der verweigernden Partei getragen werden. Letztere behält sich damit das Recht vor, vor Gericht gegen den Verwaltungsrat zu klagen.
Einer Verweigerung der Décharche müsste eine Mehrheit der an der GV vertretenen Aktienstimmen zustimmen. Ethos und Actares selber vertreten nur wenige Prozent der Aktienstimmen.
Gravierendere Probleme könnten auf Novartis zukommen, wenn der früherer Tessiner Staatsanwalt und Minder-Unterstützer recht hat mit seiner Einschätzung: «Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt muss von Amtes wegen prüfen, ob wegen ungetreuer Geschäftsführung Ermittlungen einzuleiten sind», wird Bernasconi in der «SonntagsZeitung» zitiert.
Kritik an Entschädigung
Justizministerin Simonetta Sommaruga zeigte sich ob der 72 Millionen Franken hohen Entschädigung fassungslos. «Das ist ein enormer Schaden für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land», sagte Sommaruga in einem Interview mit dem «Sonntagsblick». Diese «Selbstbedienungs-Mentalität» erschüttere das Vertrauen in die ganze Wirtschaft, erklärte die Bundesrätin.
Auf die Auswirkungen bezüglich Abzocker-Initiative angesprochen, sagte Sommaruga: «Wenn es nun zu einem Ja kommt am 3. März, dann sind allein jene Manager dafür verantwortlich, die jegliches Mass verloren haben.»
Getarnte Abgangsentschädigung?
Ob solch hohen Zusatzauszahlungen an Manager jedoch trotz einem Ja zur Initiative Einhalt geboten werden kann, sei nicht sicher, sagte die Bundesrätin. Wenn es sich tatsächlich um ein Konkurrenzverbot handle, dann könnten weder Initiative noch Gegenvorschlag etwas dagegen machen.
Würde es sich aber um eine «getarnte Abgangsentschädigung» handeln, wäre dies bei einem Ja zur Initiative nicht mehr möglich. Beim Gegenvorschlag wäre für eine solche Entschädigung die Zustimmung von zwei Dritteln der Aktionäre vonnöten, so Sommaruga.
Gerold Bührer: «klare Abgangsentschädigung»
Auch aus der Wirtschaft bläst Daniel Vasella wegen seiner 72-Millionen-Entschädigung derzeit ein kalter Wind entgegen. Gerold Bührer, Ex-Präsident des Wirtschaftsdachverbandes economiesuisse, findet Vasellas Verhalten «ethisch verwerflich».
Es handle sich dabei um eine «massive Verletzung» der Grundsätze von guter Unternehmensführung, sagte Bührer in einem Interview mit der «SonntagsZeitung». Vasella sei zu einem «Bleifuss für die freiheitlich-marktwirtschaftliche Ordnung in der Schweiz» geworden. Er schade der Schweizer Wirtschaft wie auch dem Ruf des Landes.
Für Bührer ist zudem klar: Die von Novartis und Vasella als Konkurrenzverbot betitelte Zahlung sei in Wirklichkeit eine «klare Abgangsentschädigung». Vasellas Argument, er wolle die Millionen für wohltätige Zwecke spenden, sei «nur ein Ablenkungsmanöver».
Vasella sass einst mit Bührer gemeinsam im Vorstand von economiesuisse. Der Wirtschaftsdachverband ist es, der eine 8 Millionen Franken teure Kampagne gegen die Abzocker-Initiative des Schaffhauser Ständerats Thomas Minder fährt. Ziel der Initiative ist es unter anderem, hohen Abgangsentschädigungen künftig einen Riegel zu schieben.