economiesuisse hat vor den Folgen für die Wirtschaft im Fall einer Annahme der SVP-Initiative «gegen Masseneinwanderung» oder der Ecopop-Initiative «Stopp der Überbevölkerung» gewarnt. Beide Initiativen seien mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen nicht vereinbar.
Die zwei Anliegen zielen auf eine Beschränkung der Einwanderung in die Schweiz ab. Über die SVP-Initiative wird das Stimmvolk am 9. Februar 2014 entscheiden, für die Ecopop-Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen» steht noch kein Abstimmungstermin fest.
economiesuisse hat Professorin Christine Kaddous, Leiterin des Centre d’études juridiques européennes an der Universität Genf, mit einer Untersuchung darüber beauftragt, in welchen Bereichen die Initiativen mit den bestehenden Freizügigkeitsabkommen nicht vereinbar sind.
In dem heute in Bern präsentierten Rechtsgutachten kommt sie zum Schluss, dass die beiden Initiativtexte eine Reihe von Unvereinbarkeiten mit den Bestimmungen des Abkommens über die Personenfreizügigkeit (FZA) aufweisen, das 1999 von der Schweiz mit der EU abgeschlossen worden ist.
So verstiessen beide Initiativen beispielsweise gegen das Recht auf Zugang zu einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit und deren Ausübung. Auch das Recht auf Familiennachzug und das Verbleiberecht würden missachtet.
Guillotine-Klausel droht
Sowohl die Masseneinwanderungsinitiative als auch die Ecopop-Initiative sähen vor, dass in Zukunft kein völkerrechtliches Abkommen, das ihren Zielen entgegensteht, geschlossen werden könnte. Die bestehenden Abkommen müssten neu verhandelt oder angepasst werden, um sie mit den Zielen und Texten der Initiative in Übereinstimmung zu bringen.
Der freie Personenverkehr sei eine Grundfreiheit im europäischen Binnenmarkt, eine erfolgreiche Neuaushandlung des Personenfreizügigkeitsabkommens sei deshalb höchst unwahrscheinlich. Die Aufkündigung oder Nichtverlängerung des Abkommens hätte zur Folge, dass die Abkommen der Bilateralen I sechs Monate nach der Aufkündigung gemäss der Guillotine-Klausel ausser Kraft träten.
Grosse Bedeutung der bilateralen Verträge
Die bilateralen Verträge haben laut economiesuisse dazu beigetragen, dass die Schweiz die Wirtschaftskrise nahezu unbeschadet überstanden habe, und sie sicherten der Wirtschaft einen praktisch diskriminierungsfreien Zugang zum europäischen Binnenmarkt.
Die Schweiz verdiene jeden dritten Franken im Handel mit der EU. Jeder dritte Arbeitsplatz sei direkt oder indirekt von den Beziehungen mit der EU abhängig. Für die Wirtschaft seien deshalb gute, stabile Rahmenbedingungen zwischen der Schweiz und der EU zentral.
Für die Schweiz wäre eine Annahme der SVP-Initiative nach Einschätzung von Josef Maushart, CEO und Verwaltungsratspräsident der Firma Fraisa in Bellach (SO), das definitive Ende des bilateralen Weges. Das bringe den Unternehmen grosse Nachteile.
Dabei gehe es nicht nur um den Wegfall der Personenfreizügigkeit, der den Fachkräftemangel in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie noch weiter verschärfe. Auch die Abkommen über technische Handelshemmnisse, das Forschungsabkommen sowie das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen seien tragende Pfeiler für die Wettbewerbsfähigkeit der MEM-Industrie.