Edgar Hagen: «Reise zum sichersten Ort der Welt»

Der nukleare Ausstieg wir länger dauern als erhofft. Er wird erst abgeschlossen sein, wenn auch der nukleare Abfall entsorgt ist. In ca 100 000 Jahren. Wo. Edgar Hagen nimmt uns in seinem Dokumentarfilm mit auf die Reise. An den sichersten Ort der Welt. Edgar Hagen kündigt eine «Reise zum sichersten Ort der Welt» an. Den werden […]

Die Reise zum sichersten Ort der Erde

Der nukleare Ausstieg wir länger dauern als erhofft. Er wird erst abgeschlossen sein, wenn auch der nukleare Abfall entsorgt ist. In ca 100 000 Jahren. Wo. Edgar Hagen nimmt uns in seinem Dokumentarfilm mit auf die Reise. An den sichersten Ort der Welt.

Edgar Hagen kündigt eine «Reise zum sichersten Ort der Welt» an. Den werden wir brauchen für unseren Atom-Abfall. Weil Edgar Hagen sein Versprechen hält, verlassen wir den Film verunsichert. Es gibt diesen Ort. Aber ob er sicher ist? Sicher ist immerhin dies: Der nukleare Ausstieg wird länger dauen als erhofft. Er wird erst abgeschlossen sein, wenn auch der nukleare Abfall nicht mehr strahlt. In ca 100 000 Jahren.

Hätte Edgar Hagen einen Mockumentery geplant, er hätte nicht so weit reisen müssen: Endlagerpläne für Atommüll gibt es allenthalben. Ebenso Experten, die uns weis machen müssen, der atomare Abfall  sei mit Vernunft ein paar tausend Jahre zu lagern, bis er nicht mehr strahlt.

Gibt es den sichersten Ort überhaupt?

350 000 Tonnen radioaktiver Abfall stehen bis heute an (Fukushima und Tschernobyl nicht mitgerechnet). Da wird ein Bebbi-Sagg nicht reichen. Eine Reise auf der Suche zum sichersten Ort führt in Anbetracht der Menge also in die Ferne. Es macht Sinn, wenn Edgar Hagen sich für uns auf die Suche macht, damit die allerletzte Frage rasch geklärt wird: Gibt es den sichersten Ort der Welt überhaupt? Und wenn ja, wo?

Der Kameramann Peter Indergand hat sich mit dem Regisseur auf die abenteuerliche Reise begeben. Dabei sind die beiden immerhin noch vom Normalfall ausgegangen: Dass nämlich atomarer Abfall regulär entsorgt werden kann. Sie haben nicht Tschernobyl besucht, nicht Fukushima, wo ganze Landstriche veseucht sind, und mit weiteren Verseuchnungen zu rechnen ist.

Wie findet man den sichersten Ort?

Sie haben den Normalfall besucht. In China. In Hanford Site (USA), der grössten atomar verseuchten Gegend der Welt. Dort wurde die zweite Atombombe produziert. Ein Normalfall also. Das da ein paar Probleme ausgeblendet wurden, wird immer klarer: Wir haben schlicht keine Erfahrung mit Bauten, die Jahrtausende überleben. Die Akropolis weckt da keine Hoffnungen. Selbst die drei niedlichen Spitzen der Pyraminden böten bloss für ein paar Tausendstel des Atomabfalls Platz.

Sellafield (GB) hat bis Ende der Siebzgerjahre abgebrannte Schweizer Brennstäbe aufbereitet und den Müll – behalten. Doch danach wurde auch der Abfall in die Schweiz zurück geschickt. Wohin damit? Wer gute Argumente für die reguläre Endlagerung sucht, wird in diesem Film erschrecken. In Gorleben (BRD) muss man bereits nach zehn Jahren über ein Leck berichten. «Leck!» sagen vielerorts auch Anwohner in der Schweiz. Das ehemalige Gipsbergwerk Felsenau (AG) erwies sich bereits nach zwanzig Jahren als undicht: Es steht heute unter Wasser. Gibt es denn nicht irgendwo in der Wüste Gobi ein Plätzchen?

Die grösste Gefahr des Atommüll ist, dass damit Geld verdient werden kann 

Beim Yuca Mountain in den USA stellte man nach 20 Jahren Stollenarbeit fest, dass der Berg, von aussen besehen einem Vulkan ähnlich sehe – was er auch war. Das Projekt wurde von Präsident Obama gestoppt. In Officer Basin (AUS) fand man immerhin eine flache Einöde. Das mindert das Risiko für das Grundwassser.

Die einzigen Endlager, die bis jetzt existieren, sind verwüstete Gebiete: Tschernobyl, Fukushima, Bikini-Atoll etc. Allein in Fukushima liegen zur Zeit 340 000 Tonnen hochradioaktives Kühlwasser, in Tanks, einige davon bereits nach einem Jahr: Leck! Die Tepco, die jahrelang in Fukushima gutes Geld gemacht hat, macht sich aus dem Staub: Für die Sanierung bezahlt der Staat.

Der Film übt Zurückhaltung – die Tatsachen sind erschreckend genug

Dies alles macht diese «Reise» noch nicht erschreckend. Der Optimismus ist es, mit dem weiterhin in Pakistan, Indien, China, Brasilien etc. Geld in neuen Atomkraftwerke gepumpt wird. Die Investoren reden nicht gern über ihre Gewinne und noch weniger über den unfassbaren Abfallberg, den sie hinterlassen: «Wer ein Haus baut, wird doch nicht die Toilette vergessen», so beruhigt ein chinesischer Ingenieur im Film. Aber selbst, wer eine Toilette baut, sollte daran denken, dass sie keine Spülung haben wird. Mit klareren Worten: So eine Toilette wird ein paar tausend Jahre lang vollgeschissen bleiben.

Investoren reden auch in der Schweiz nur ungern darüber welche Kosten für die Allgemeinheit ihre Gewinne bedeuten. Diese Verlust-Rechnung überlassen sie lieber den Kindern der nächsten ca. 400 Generationen. Die «Reise» ist also kein erheiternder Film. Aber er ist umso erhellender. In Tokyo macht man sich bereits Sorgen wegen der olympischen Spiele, die 230 km von Fukushima stattfinden sollen. Warum wohl?

Der Ausstieg ist beschlossen. Damit können die Probleme endlich angegangen werden. Der Abfall nämlich hört mit dem Ausstieg nicht auf zu existieren. Er wird noch ein paar hunderttausend Jahre lang den Atomausstieg zu einem leeren Wort machen.

Der Film läuft zur Zeit in den Kult-Kinos in Basel

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