Er hurte, soff und nahm, was er kriegen konnte. Dem Hippie-Kater «Fritz the Cat» verdankt Robert Crumb seinen Ruhm als geistiger Vater des amerikanischen Underground-Comic. Das Cartoonmuseum Basel würdigt Crumb und seine Frau Aline mit einer neuen Ausstellung.
Vor ihm hiessen die Tiere im Comic Mickey Mouse, Donald Duck, Bugs Bunny. Brave Viecher fürs familiäre Vorabendprogramm. Dann kam 1965 Robert Crumbs «Fritz Comes On Strong», und alles wurde anders. In seinem ersten Auftritt bringt Kater Fritz ein Katzenmädchen nach Hause, zieht ihr unter einem fadenscheinigen Vorwand – eine Entlausung – Röckchen und Blüschen aus, um sie, nackt, wie sie daliegt, anzugeifern.
Tiercomics als Schweinereien, das hatte Potenzial. Der Herausgeber des Magazins «Help!» bestätigte Robert Crumb vor der Veröffentlichung per Brief: «Ihre Kätzchenzeichnungen sind grossartig. Die Frage ist nur, wie können wir die drucken, ohne dafür ins Gefängnis zu wandern?»
Comics galten damals noch als Billigmedien
Die Sorgen waren nicht unbegründet: Fritz the Cat hatte seine ersten Auftritte zu einer Zeit, als noch puritanische Moralwächter die Publikation von Comics und Cartoons zensierten, sobald sie Anstössigkeit entdeckten. 1954 wurde von der Vereinigung der Comic-Produzenten der USA die «Code of Comics Authority» ins Leben gerufen, eine Prüfungsbehörde, die in vorauseilender Selbstzensur die Kontrolle über die wachsende Flut von billigen und schnell produzierten Sex-, Crime- und Horror-Comics ausüben sollte.
Die Behörde entstand im Geist der bleiernen McCarthy-Jahre, in denen sich konservativer Geist, kulturelle Paranoia und antiliberaler Autoritarismus überlagerten. Was nicht mit althergebrachten amerikanischen Werten vereinbar schien, galt als verdächtig – und das verhasste Billigmedium Comic gehörte dazu. Die krachenden Superhelden aus dem Marvel-Universum waren okay, subversive Ausgeburten hingegen nicht.
Eine Katze raucht Gras
Crumbs Fritz gehörte zu letzteren. Er soff, rauchte Gras und nahm weitere Drogen, prügelte und lehnte sich gegen Autoritäten auf, und vor allem verfiel er promiskuitiv den Frauen. Das Tierreich von Crumb blieb dezidiert animalisch, und die Triebe schlugen sich Bahn, sobald Röcke auftauchten.
In seiner husarenrittigen Libertinage war Fritz the Cat ein Kind seines Milieus, der sich herausbildenden Hippie-Szene in Kalifornien, wo sexuelle Eskapaden und freudige Drogenexperimente gegenkulturelle Veranstaltungen zu Polizeirepression, Vietnam-Krieg, Rassendiskriminierung und zur moralischen Verkrustung der 1950er-Jahre bildeten. Auf der anderen Seite zog sich Crumb mit seiner sehr bald sehr bekannten Figur auch den Zorn der Feminismusbewegung zu, weil Fritz seine Katzendamen und andere Weibchen nur als sexuelle Reizträger betrachtete.
Tatsächlich lag die Komplexität der Figur tiefer: Sie gründet in Crumbs eigenen Neurosen, die wiederum ein Produkt einer emotional ungesunden Kindheit und Jugend waren (nachzusehen im wunderbar verstörenden Dokumentarfilm «Crumb» von Terry Zwigoff. Der Vater jähzornig, die Mutter psychisch am Boden, die Geschwister alle mental aus der Bahn, was im Selbstmord seines ebenfalls Comics zeichnenden Bruders Charles gipfelte.
Hinzu kam eine Schulbildung in einem von rigiden katholischen Nonnen geführten Institut. Der junge Crumb wurde so früh zum Aussenseiter ohne jegliches Selbstbewusstsein, jedoch geplagt von allerhand sexuellen Obsessionen, denen allesamt die Unerfüllung drohte. «Fritz the Cat» war ein Weg heraus – und brachte, sobald der Erfolg da war, Crumb doch noch das Glück mit den Frauen.
Sie sind ein ungleiches Ehepaar: Aline Kominsky-Crumb ist Pionierin des autobiografischen Comics, ihr Mann Robert der Schöpfer von Underground-Charakteren wie Fritz the Cat und Mr. Natural. Diese Spannung bringen sie in gemeinsam gezeichneten Geschichten zu Papier. Zum ersten Mal steht die Kooperation von Herrn und Frau Crumb im Zentrum einer umfassenden Ausstellung: «Drawn Together» wird im Cartoonmuseum Basel vom 2. Juli bis 13. November gezeigt.
Dank dem provokativen Krawall-Kater wurde Crumb zur Galionsfigur des amerikanischen Underground-Comic. Später folgten bahnbrechende zeichnerische Arbeiten wie etwa seine Adaption der Genesis. Seine zentralen Stoffe – Auflehnung und Sex – fand Crumb auch ohne Fritz zur Genüge, und der Erfolg des Katers ging ohne seinen Schöpfer weiter: 1972 erstand der Animationsfilmer Ralph Bakshi von Crumb das Recht für eine Verfilmung des Stoffs, führte den Film jedoch ohne die Supervision des Autors aus.
Das Resultat ärgerte Crumb so masslos, dass er sich auf seine Weise rächte: Er opferte seine Figur. Nach der Filmpremiere zeichnete er den letzten Auftritt von Fritz.
Zynisch als «Fritz the Cat, Superstar» betitelt, erhält der dekadent und arrogant gewordene Kater von einer Geliebten die Quittung für seinen verschleissenden Lebensstil: Nachdem Fritz den Sex mit der Straussendame Andrea gelangweilt abbricht und sie zum Abschied erniedrigt, schlägt sie ihm mit einem Eispickel den Schädel ein. Seither zeichnete Crumb den Fritz nie wieder.
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Robert Crumb & Aline Kominsky-Crumb: Cartoonmuseum Basel, ab 2. Juli.
Vernissage: 1. Juli 2016, 18.30 Uhr.
«Crumb» von Terry Zwigoff: Film und Gespräch, 2. Juli, 18 Uhr.