Vulgär, simpel und einfach brillant: Mit seinem bei einer Kunstschau eingereichten Pissoir brach Marcel Duchamp 1917 eine Debatte vom Zaun. Im Jahrhundert danach prägt er Werke von Andy Warhol bis Jeff Koons.
Das Urteil fiel vernichtend aus: Anstössig sei dieses Objekt, reine Sanitärkeramik, die an körperliche Abfälle erinnert. Mit einem einfachen Pissoir wollte der Vorstand der Society of Independent Artists bei ihrer Jahresausstellung 1917 nichts zu tun haben.
«Der ‚Fountain‘ mag an seinem Platz sinnvoll sein, aber sein Platz ist keine Kunstausstellung, und es ist nach keiner Definition ein Kunstwerk», teilte der Vorstand nach Ablehnung des Werks von Marcel Duchamp mit.
100 Jahre ist die Provokation des französischen Surrealisten her, dessen auf den Rücken gedrehtes Urinal erstmals am 9. April 1917 im New Yorker Grand Central Palace zu sehen war. Statt die Porzellanschüssel neben 2000 weiteren Werken zu zeigen, stellte Duchamp «Fountain» schliesslich im Studio von Fotograf Alfred Stieglitz aus. Das Original ist heute verschollen, doch das sogenannte Readymade ist etliche Male kopiert worden.
Geheimcode «Mutt»
Nicht umsonst signierte Duchamp das Urinal mit dem Pseudonym «R. Mutt»: So konnte er das ästhetische Verständnis der Amerikaner testen, ohne sein Verhältnis zum Vorstand der Society aufs Spiel zu setzen – und doch mit der Möglichkeit, später Urheberschaft zu beanspruchen.
«Herr Mutts ‚Fountain‘ ist nicht unmoralisch, das ist absurd, nicht mehr als eine Badewanne unmoralisch ist», schrieb das Magazin «Blind Man», das Stieglitz‘ Foto des Objekts 1917 abdruckte. Weil der Künstler entschieden habe, das Pissoir in einem neuen Kontext zu zeigen, könne es eben auch als Kunst verstanden werden.
Zur Feier des 100. Jahrestags des «Fountain» bieten Museen in aller Welt heute zwischen 15 und 16 Uhr Gratiseintritt an. Wichtig ist der Code: Er lautet «Richard Mutt» wie Duchamps Pseudonym. In der Schweiz angeschlossen ist beispielsweise die Kunsthalle Basel.