Ein Rücken kann entzücken, ein Rucksack weniger

Wer etwas auf sich hält, wirft sich in die Riemen eines Rucksacks. Warum das im Alltag etwas Respekt bedingt, erklärt unser Community-Mitglied. Auch dieses Jahr grassiert in Basel (und nicht nur hier) eine Landplage, die sich allmählich zu einer veritablen Pandemie auszuwachsen droht: die Rucksackitis. Immer mehr Zeitgenossen scheinen Gefallen daran zu finden, sich vor […]

Wer etwas auf sich hält, wirft sich in die Riemen eines Rucksacks. Warum das im Alltag etwas Respekt bedingt, erklärt unser Community-Mitglied.

Auch dieses Jahr grassiert in Basel (und nicht nur hier) eine Landplage, die sich allmählich zu einer veritablen Pandemie auszuwachsen droht: die Rucksackitis. Immer mehr Zeitgenossen scheinen Gefallen daran zu finden, sich vor dem Verlassen des Hauses einen stoffledrigen Allzweckbehälter anzuschnallen.

Im Speaker’s Corner publiziert die TagesWoche ausgewählte Texte und Bilder von Community-Mitgliedern. Vorschläge gerne an community@tageswoche.ch.

Diesen Rucksack-Aficionados – ich gehöre nicht zu ihnen, mir reicht die Erinnerung an das von Feldwebelgebrüll begleitete ordonnanzmässige Packen des Tornisters im Militärdienst – begegnet man schon seit längerer Zeit nicht nur auf Bergwanderungen, sondern immer häufiger auch in der Stadt, in Läden, im Tram, im Kino und im Restaurant. Der Alltag überquillt von Menschen, die der Welt den rucksackbestückten Rücken kehren. Wer etwas auf sich und wenig von anderen hält, wirft sich in die Riemen eines Rucksacks. Und wird damit zu einer Gefahr für die Gesellschaft.

Wie ich das meine?

Rucksackepisode 1: Ich verstau in der Migros gerade meine Einkäufe in zwei Papiertragtaschen, da straft mich der Kunde am Laufband nebenan mit einem Blick ab, der mich als gewissenlosen Wegwerfsünder brandmarkt. Tragtaschen, pfui! Er hingegen stopft seine Siebensachen umweltbewusst in einen respektablen Rucksack, schwingt selbigen elegant auf den Rücken und zack, hab ich die ganze Ladung am rechten Ohr, das alsogleich zu summen und zu brennen beginnt. Der flotte Rucksäckler merkt von seiner rüden Attacke nichts und geht ungerührt ab.

Rucksackepisode 2: Eine ältere Dame durchstreift die Regale einer Buchhandlung, den prall gefüllten Rucksack lässig über die linke Schulter gehängt. Sie dreht und wendet sich hin und her und bringt mit ihrem Anhängsel mehrere liebevoll arrangierte Bücherstapel zum Einsturz. Die rüstige Rucksäcklerin merkt von ihrem Verwüstungsfeldzug nichts und geht ungerührt ab. Ich helfe der Verkäuferin beim Aufräumen.

Rucksackepisode 3: Ein kaugummifletschender Kerl mit spiegelnder Sonnenbrille und eingestöpseltem iPod entert das Tram, schleudert seinen Rucksack auf einen freien Sitzplatz, verfehlt dabei einen zusammenzuckenden Rentner um Haaresbreite, lässt sich vis-à-vis niederplumpsen und platziert seine sneakerbewehrten Füsse auf seinem Stoffcontainer, während aus seinen Ohren 120 Dezibel Hip-Hop zischen. Zwei Haltestellen später schlägt er beim dynamischen Aufschwingen seiner Kraxe dem erneut zusammenzuckenden Rentner die Zeitung aus den Händen, will davon nichts gemerkt haben und geht ungerührt ab.

Fazit: «Der Rucksack ist ein Behälter aus Stoff, flexiblem Kunststoff oder Leder, der an gepolsterten Gurten auf dem Rücken getragen dem Transport von Gegenständen dient.» So Wikipedia. Und mit dem sich, wäre beizufügen, die rucksacklose Menschheit gar trefflich terrorisieren lässt.

Wie lautet das Sprichwort? Auch ein Rücken kann entzücken. Ein Rucksack weniger.

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