Das Thema der Diskussion war die Europäische Menschenrechtskonvention, der Saal zum Bersten gefüllt. Als einziger SVP-Vertreter musste sich Sebastian Frehner unbequeme Fragen anhören. Bis auf eine konnte er alle beantworten.
Gleich zu Beginn gab Sebastian Frehner (SVP) zu erkennen, dass er froh sei, wenn er den Abend ohne grosse Verluste überstehe. «Auch SVPler sind lernfähig», sagte er auf die Frage, ob er bei seinem Standpunkt bleibe, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) kündigen zu wollen. Er erntete damit Bravo-Rufe und Applaus.
Amnesty Schweiz hatte zur Podiumsdiskussion geladen, das Thema hiess kurz und knapp: Schweiz und EMRK. Neben Frehner waren Ständerätin Anita Fetz (SP), der ehemalige Bundesrichter Martin Schubarth und der Staatsrechtsprofessor Markus Schefer am Mittwochabend im Saal des Unternehmens Mitte. Für eine lebendige Diskussion war gesorgt.
Schubarth, der in seinen «Weltwoche»-Kolumnen seit Längerem gegen die Strassburger Richter anschreibt, war der Einzige, der Frehner vereinzelt unter die Arme greifen konnte. Schubarth stösst sich an der «dynamischen Rechtssprechung» des Strassburger Gerichtshofs, der mit seinen Urteilen zuweilen für einen «Lifestyle-Menschenrechtsschutz» sorge.
Ein voller Saal: Manche Zuhörer fanden keinen Sitzplatz mehr und mussten zwei Stunden am Boden sitzen oder stehen. (Bild: Hans-Joerg Walter)
Kündigen will Schubarth die EMRK dennoch nicht – Frehner schon. Die SVP lancierte vor zwei Wochen ihre «Selbstbestimmungsintiative», die auf eine Kündigung der EMRK hinausläuft. Die SVP-Initiative war denn auch Dreh- und Angelpunkt der Diskussion; was wiederum bewies, dass die SVP es versteht, Themen zu setzen, die für hitzige Debatten sorgen.
Die Abwehrversuche von Anita Fetz wirkten verzweifelt, obschon sie gefühlte 99 Prozent der Zuhörer hinter sich hatte. Zuweilen packte sie den Holzhammer aus: «Wenn wir das tun, was die SVP vorschlägt, landen wir in einer Volksdiktatur à la DDR.» Den juristischen Finessen eines ehemaligen Bundesrichters (Schubarth) konnte sie hingegen nichts entgegenhalten.
Die Diskussion drohte gelegentlich ins Humoreske abzugleiten. Fetz drosch weiter auf die SVP ein. Eine «Sauerei» sei das, was Frehner sage, «är liegt wie druggt», liess sie das Publikum wissen. Frehner erwiderte, Fetz bete dem Völkerrecht nach: «Halleluja.»
Der ehemalige Bundesrichter Martin Schubarth kritisiert den Menschenrechtsgerichtshof, kündigen will er die Verträge allerdings nicht. (Bild: Hans-Joerg Walter)
Die Rechtsgelehrten brachten dann wiederum Sachlichkeit in die Diskussion. «Demokratie funktioniert per Mehrheitsbeschluss, da gilt es, die Rechte von Minderheiten zu wahren; die EMRK ist ein notwendiges Komplementärinstrument, das der Mehrheit gewisse Schranken setzt.»
Am Ende lief es auf die Formel hinaus: alle gegen Frehner. Das Publikum setzte nach: «Was wollen Sie tun, damit die Grundrechte in der Schweiz auch nach der Kündigung der EMRK gewahrt bleiben?» Frehner wand sich geschickt aus der Frage heraus. Der Frager blieb hartnäckig. Frehner holte zum Befreiungsschlag aus, dieser missglückte jedoch vollends, als er gestand: «Ich bin nicht grundsätzlich gegen die EMRK.»
Mit diesem Votum endete ein unterhaltsamer Abend. Die kritischen Zuhörer standen Schlange, um Frehner nochmals persönlich umstimmen zu wollen – was allerdings nicht gelang. Ist das nicht frustrierend, gegen einen ganzen Saal anzusprechen? Frehner: «Das gehört zum Politikeralltag dazu, ich bin es mir gewohnt.»
Wer nach Beginn der Veranstaltung ankam, konnte den Saal nicht mehr betreten. (Bild: Hans-Joerg Walter)