Eine Abstimmung im ukrainischen Parlament über mehr Autonomierechte für die Rebellengebiete ist am Montag von Gewalt überschattet worden. Bei Zusammenstössen mit Demonstranten vor dem Parlament in Kiew wurde ein Mitglied der Nationalgarde getötet.
Etwa hundert weitere wurden Menschen verletzt, wie die Behörden mitteilten. Gegen den Widerstand rechter Parteien billigte das Parlament derweil in erster Lesung die Reform für mehr Autonomie für die Rebellengebiete in der Ostukraine.
Die Reform war von den westlichen Verbündeten Kiew gefordert worden und gehört zu den Kernforderungen aus dem Minsker Friedensabkommen, mit dem der Konflikt zwischen Kiew und den prorussischen Aufständischen im Osten des Landes überwunden werden soll.
Obwohl sich auch in der Regierungskoalition Protest regte, kam bei der turbulenten Abstimmung am Montag eine Mehrheit von 265 von 368 Stimmen zustande. Nötig gewesen wären lediglich 226 Stimmen. Für die endgültige Verabschiedung der Novelle sind in zweiter Lesung 300 Stimmen im Parlament notwendig. Ein Termin war noch nicht bekannt.
Am Morgen hatte zunächst eine Gruppe von Abgeordneten versucht, die Parlamentssitzung zu stören, um die von ihnen als «antiukrainisch» und «pro Wladimir Putin» verurteilte Reform zu verhindern.
Zwar sieht nun in erster Lesung gebilligte Reform mehr Rechte für die Regional- und Gemeindeverwaltungen vor. Über eine endgültige Teilautonomie für die Gebiete unter Rebellenkontrolle – wie die Separatisten sie fordern – soll aber erst ein weiteres Gesetz entscheiden.
Ausschreitungen
Hunderte Menschen zogen nach der Abstimmung vor das Parlament. Die Demonstranten warfen Pflastersteine, Flaschen und Rauchbomben auf die Polizei. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Tränengas ein. Bei Zusammenstössen mit Demonstranten wurde nach Angaben von Innenminister Arsen Awakow ein Mitglied der Nationalgarde getötet.
Unter den Demonstranten waren Anhänger der oppositionellen nationalistischen Partei Swoboda. Der rechtsextreme Prawy Sektor hatte zuvor nach eigenen Angaben die Zufahrtsstrassen zum Parlament blockiert.
Insgesamt seien rund 30 Menschen festgenommen worden, sagte Awakow. Er sah die Drahtzieher in der Partei Swoboda. Unter den Festgenommenen sei auch ein Verdächtiger, der eine Handgranate gezündet haben soll. Awakow sprach von rund 120 Verletzten.
Es waren die schwersten Unruhen in Kiew seit dem Volksaufstand Anfang 2014, der zum Sturz des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch geführt hatte. Die Unruhen von damals hatten den Aufstand der prorussischen Separatisten im Osten des Landes in Gang gesetzt.
Neue Waffenruhe geplant
Die Gewalt in Kiew kommt kurz vor einer geplanten Waffenruhe in der Ostukraine. Von diesem Dienstag an haben die Armee und die prorussischen Separatisten eine Feuerpause vereinbart. Diese soll einen gewaltfreien Beginn des Schuljahres ermöglichen.
Die Beobachter-Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beklagt allerdings den bislang fehlenden Friedenswillen in der Ukraine.
Weder die ukrainische Armee noch die prorussischen Rebellen respektierten die Waffenruhe in der Ostukraine, kritisierte der stellvertretende Leiter der Mission, der Schweizer Alexander Hug, in einem Interview, das am Montag die Zeitungen «La Liberté» und «Le Courrier» veröffentlicht wurde.
Das Haupthindernis für den Abzug schwerer der Waffen sei das fehlende Vertrauen zwischen den Konfliktparteien. «Ohne Vertrauen gibt es niemals positive Resultate», sagte Hug.