«Eine gute Idee und viel Herzblut» heisst die Zauberformel

Fastfood- und Systemgastronomen drängen die traditionellen Basler Beizer aus dem Markt. Doch es gibt auch Lichtblicke: Dank Quereinsteigern ist die Gastroszene heute so vielfältig wie nie zuvor.

Junge Wirte und Quereinsteiger sorgen für Farbtupfer im gastronomischen Einerlei. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Fastfood- und Systemgastronomen drängen die traditionellen Basler Beizer aus dem Markt. Doch es gibt auch Lichtblicke: Dank Quereinsteigern ist die Gastroszene heute so vielfältig wie nie zuvor.

«Brauner Mutz», «Kunsthalle», «Volkshaus»: Zum Entsetzen mancher traditions­bewusster Bebbi reissen sich Zürcher System­gastronomen ein Gastro-Denkmal nach dem anderen unter den Nagel. Selbst das geheiligte «Donati» soll schon bald in die Hände des Zürcher Gastrokonzerns Bindella fallen.

Wirklich überraschend ist diese Entwicklung nicht. Seit den 1990er-Jahren erscheinen in regelmässigen Abständen Analysen, die den Trend zum Fastfood auf der einen und jenen der Edelgastronomie auf der anderen Seite prophezeien. Bereits 2005 warnte der Branchenverband Gastrosuisse, dass vor allem die klassischen Beizer die Verlierer dieser Entwicklung sein würden.

Zum Zeitpunkt der Erhebung war das Quartierbeizensterben in Basel schon fast vollzogen. Fastfood-Ketten, immer mehr Take-away-­Anbieter und auf Effizienz getrimmte Ableger von Gastroketten wie etwa das «Lilly’s» am Claraplatz oder das «Latini» in der Falknerstrasse machen gute Umsätze mit Kunden, denen es an Geld oder Zeit mangelt. Auf der anderen Seite boomt die Spitzen- und Erlebnisgastronomie. Die klassischen Schnipo-Beizen dagegen verschwinden zunehmend von der Bildfläche: Die ehemaligen älteren Stammgäste bleiben fern, und für das Gewinnen neuer Gäste mangelt es oft an guten Ideen.

Vielfalt von Nischenbetrieben

Laut einer Erhebung des Bundesamts für Statistik nimmt die Zahl der Bars und Restaurants in der Schweiz immer mehr zu. Das liegt, ­zumindest in Basel, keineswegs nur an der Konzentration von Trash- und High-End-Gastronomie. Mit der Liberalisierung des Basler Gastgewerbegesetzes unter dem ehemaligen Sicherheitsdirektor Jörg Schild entstand eine bunte Vielfalt von Nischenbetrieben, die dem Tunnelblick der Statistik entgehen. Quereinsteiger und junge Aufsteiger krempelten das Angebot an originellen Speiserestaurants auch für den schmaleren Geldbeutel nachhaltig um.

Witz und Kreaktivität

Claude Gaçons «Cargobar» und die neuen Buvetten verdanken ihre guten Umsatzzahlen gewiss teilweise der günstigen Lage am Rheinufer. Aber auch ohne Traumlage lässt sich mit etwas Witz und Kreativität in Basel trefflich beizen. Das Team Jeannie Messerli/Dominique Bissegger verwandelte die ehemalige Kantine der Deutschen Bahn auf dem nt/Areal zum angesagten Esstempel. Danach reanimierte das Duo die siechende «Rösslibeiz» der Kaserne zum In-Lokal, und vor Kurzem startete Jeannie Messerli in der ehemaligen St.-Johanns-Post ein neues Lokal, das zeitweise von Leuten überrannt wird.

Der Quereinsteiger Jérôme Beuret («Rhyschänzli», «Union», Kasernen-Buvette und bald auch «Stoffero») ist im Begriff, in Basel ein regelrechtes Gastro-Imperium mit völlig unterschiedlichen Angeboten aufzubauen. Oder Simon Lutz: Als er als Jungspund in den 1990ern damit begann, das Nachtigallenwäldeli gastronomisch zu beleben, wurde er von gestandenen Wirten belächelt – heute führt er mit dem «Acqua» eines der angesagtesten Restaurants der Stadt.

Feedback als täglicher Lohn

Markus (Stocky) Stocker und Melanie Moser erweckten das serbelnde «Johann» am St. Johanns-Ring zu neuem Leben. «Bei uns fühlt sich der Krawattenträger ebenso wohl wie der Shorts- und Flip-Flop-Träger», sagt Stocker nicht ohne Stolz. Und selbst das lange Zeit für tot erklärte «Goldene Fass» ist dank des neuen Teams um Bettina Larghi, Ueli Gerber and Gilbert Engelhard wieder ein hipper Treffpunkt auch für unter 50-Jährige. Diese Liste könnte endlos weitergeführt werden.

Aber auch die klassische Quartierbeiz muss nicht unbedingt zum Scheitern verurteilt sein. Mit gutbürgerlicher und preisgünstiger Küche – und natürlich dem weltbekannten Cordon bleu – läuft auch die klassische «Eintracht» an der Klybeckstrasse wieder rund.

«Man muss ein Rad ab haben»

Natürlich gibt es auch Misserfolge. Im heutigen «Gatto Nero» an der Klybeckstrasse haben viele Wirte ihr Glück versucht und sind ­gescheitert. Das aktuelle Team ist mit dem ­Geschäftsgang zufrieden. Koch Serge Laissue und Geschäftsführer Matthias Tedesco haben bewusst ein Lokal gesucht, das sie zu zweit ­bewirtschaften können. Ohne Servicepersonal oder Putzequipe. Denn reich wird man, von einigen wenigen Glückskindern abgesehen, mit der Gastronomie in Basel schon lange nicht mehr. «Ohne Leidenschaft und Herzblut bleibt der Gastronom von heute auf der Strecke», sagt Wirt «Stocky» vom «Johann»: «Eigentlich muss man ein Rad ab haben, um so was zu tun. Aber der Lohn ist unter anderem eben auch das tägliche, direkte, positive Feedback der Gäste.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 08.11.13

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