Eine Hochstapler-Geschichte als Nachkriegsbewältigung

Nina Hoss brilliert in Christian Petzolds Film «Phoenix» als Frau, die von ihrem Mann nicht wiedererkannt wird. Wir verlosen 3×2 Tickets für die Premiere des Films in Basel in Anwesenheit des Regisseurs. Aus der Asche wiederauferstanden. So erdichteten die Ägypter einst die Geschichte des mythischen Vogels Benu, der in der Sonne verbrannte und aus der […]

Wer bin ich? Nina Hoss als alte und neue Frau.

Nina Hoss brilliert in Christian Petzolds Film «Phoenix» als Frau, die von ihrem Mann nicht wiedererkannt wird. Wir verlosen 3×2 Tickets für die Premiere des Films in Basel in Anwesenheit des Regisseurs.

Aus der Asche wiederauferstanden. So erdichteten die Ägypter einst die Geschichte des mythischen Vogels Benu, der in der Sonne verbrannte und aus der Asche wieder auferstand. Und tatsächlich steigt in Christian Petzolds «Phoenix» aus der Asche etwas Unerwartetes auf.

Johnny Lenz will nach dem Krieg an die Konten seiner toten Frau. Weil deren Familie sich weigert, muss er sich etwas einfallen lassen. Lenz heuert eine Frau von der Strasse an, die seine Frau bei der Bank spielen soll.

Dazu muss diese Frau allerdings erst einmal als seine Frau heimkehren und für die Familie glaubhaft wirken. Also übt der Mann mit der Fremden die Heimkehr seiner Frau, ihren Gang, deren Schrift, deren Lächeln und deren – Kuss. Er verliebt sich. Dann kommt der Tag, an dem es wo weit ist.

Das klingt nach einer Nachkriegs-Hochstaplergeschichte, wie sie ähnlich auch schon erzählt worden ist. Aber Johnny Lenz hat sich vergriffen. Die Frau, die er anspricht, ist ausgerechnet – seine!

Das Opfer spielt die Täterin 

Dass er sie nicht erkennt, liegt daran, dass sie entstellt ist. Nina Hoss («Barbara») spielt diese Frau mit ihrer gekonnten Eindringlichkeit, weit davon entfernt, entstellt zu sein.

Christian Petzold zeigt das kühl, lässt Nina Hoss rasch wieder blendend aussehen und appelliert im Weiteren einfach an unser Abstraktionsvermögen. Wir müssen uns selber vorzustellen, warum der Mann sie nicht wieder erkennt – nicht einmal an der Stimme. Vielleicht wollte Petzold dem Film damit das Zentrum nehmen: Er wollte nicht die rührselige Begegnung. Er wollte die berechnende Abrechnung.

Bald ist vergessen, dass Nelly eigentlich nicht wiederzuerkennen ist, nicht einmal von ihrem eigenen Mann. Sie kommt stattdessen als Komplizin gegen sich selbst langsam ihrer eigenen Geschichte auf die Spur. Das klingt nach einer gerissenen Schulddiskussion. Der unbelehrbare Schuldige ist nach dem Krieg keinen Deut besser als davor: Vor dem Tod hat die Frau verraten – nach dem Tod will er sie nun berauben.

Doch seine Frau Nelly spielt ja vielleicht auch ein doppeltes Spiel? Die Geschichte ist eben auch eine komplexe Beziehungs-Abrechnung. Die Frau, die einem Mordanschlag ihres Mannes entrinnt, liebt ihn immer noch und lässt sich von ihm zu einer Komplizin seines nächsten Verbrechens machen. Wie weit wird ihre Liebe nun gehen?

Ausgerechnet seine Frau soll seine Frau spielen

Ausgerechnet seine Frau soll seine Frau spielen

Geschichten der Geschichte

Christian Petzold hat mehrere Geschichten in eine gepackt und erzählt sie vor historischem Hintergrund. Er findet sogar ein wunderbares filmisches Mittel, um die Unwahrscheinlichkeit seiner Behauptungen zu überspielen. Er lässt die Frau von der Strasse ihre Rolle üben. Er zeigt sie als Hochstaplerin, die den Hochstapler hochnimmt. Er verdoppelt den schauspielerischen Vorgang. Das hält die Spannung über weite Strecke des Films.

Das täuscht aber gleichzeitig nicht über eine Lücke in der filmischen Behauptung hinweg: Der Mann kann vielleicht seine Frau an ihren Gesichtszügen nicht erkennen (sie soll entstellt sein), aber auch nicht an ihrer Stimme? Mein lieber Johnny! Die Stimme meiner Freundin würde mich noch im Koma wecken! Diese kleine Unwahrscheinlichkeit nimmt viel Kraft aus dem Stoff, der still, meditativ, und etwas gar abgeschlossen unter der Betroffenheitsglasglocke erzählt wird.

Dabei hätte Petzold ruhig etwas mehr riskieren können: Nina Hoss ist eine zu gute Schauspielerin, als dass man ihr nicht hätte zumuten dürfen, etwas rührseliger zu sein. Ronald Zehrfeld ist ein zu guter Schauspieler, als dass er nicht auch einen blendenden Schurken hätte geben können anstatt einen Blindtauben: So wirken beide etwas wie unter dem riesigen Trauerflor deutsch-jüdischer Geschichte.

Man tut also gut daran, den Film wie ein Buch zu lesen: Beim Lesen des Buches ist eben gerade die Stimme der Frau nie zu hören, ausser im eigenen Kopf. Und auch die Tatsache, dass Nelly entstellt ist, geht in der literarischen Behauptung auf. In der filmischen hätte eine andere Umsetzung der Spannung wohl angestanden: Dennoch führt Petzold eine Diskussion, an der man gerne beteiligt ist, wenn man die leise Verfremdung mit in seinen Blick nimmt.


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Der Film läuft in den Kult-Kinos. Premiere am Donnerstag, 2. Oktober, um 18.30 Uhr im kult.kino atelier
Wer den Regisseur danach im Gespräch erleben will, kann bei uns eine Freikarte ergattern: Tragen Sie sich ganz einfach in der Kommentarfunktion ein. Viel Glück.

Die Verlosung läuft bis Dienstag, 30. September, 18 Uhr.

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